Gesten des Glücks

■ Der Spielfilm Honig und Asche von Nadia Fares sucht in Nordafrika nach drei Frauen und nach eigenen Bildern

Leila verläßt das Haus, schnell und zielsicher. Es ist ihre Lust, die sie auf den Weg bringt – weg von den labyrinthischen Irrgängen der Stadt, ihren gesellschaftlichen Rollen- und Verhaltenszwängen und hin zum Strand und zu einer Verabredung mit ihrem Geliebten Hassan. Mit diesem kleinen, aber maßgeblichen Akt des Ungehorsams beginnt Honig und Asche, der mehrfach preisgekrönte Film von Nadia Fares über die Lebenssuche dreier Frauen im heutigen Nordafrika.

Die zwanzigjährige Leila (Nozha Khouadra), die sich mit vollem Risiko von den väterlichen Besitzansprüchen losreißt, Anima (Amel Ledhili), die in einer quälenden Ehe mit ihrem ehemaligen Professor gefangen ist, und schließlich, als unbekannte Trösterin und heimlicher Schutzengel, die Ärztin Naima (Samia Mzali) – der Film begleitet diese drei Frauen über die langen Wegstrecken ihrer Sehnsüchte. Episodisch und in verschiedenen, zeitgreifenden Erzählsträngen verfolgt er dabei die mal leise und mal laute Wucht ihrer Ausbrüche, den Schmerz ihrer Niederlagen und den Protest ihrer Wiederauferstehungen. Von seinem ersten schillernden Bild an zelebriert dieser Film seine vertraute und offen zärtliche Einstellung zu den Lebenslinien seiner Heldinnen. „Das bin ich, gespiegelt in den anderen, und die anderen gespiegelt in mir“, sagt Nadia Fares über ihren Film und dessen Perspektive auf weibliche Identitätssuche zwischen den Kulturen.

Sie selbst ist schweizerisch-ägyptischer Herkunft, hat in Bern und Kairo studiert und anschließend in New York ein Filmstudium absolviert. Nadia Fares, die mit Honig und Asche ihren ersten Spielfilm vorlegt, versteht sich auf die komplizierte Zwiesprache unterschiedlicher Blick- und Konfliktquellen. So ist diese Arbeit, wie sie sagt, zu einer Auseinandersetzung mit ihren „Wurzeln als Filmautorin“geworden.

Es ist eine besondere Qualität des Films, auf welche Weise sich diese Reibung an der eigenen Bildsprache mit den Geschichten der Frauen verknüpft. Jeder spezifische Ton, jede Folge und Windung im Konflikt findet seinen Bildrhythmus – dramatisch oder bis zu einem Ruhepunkt verlangsamt, episch und still.

Wie die Gesten des Glücks funktioniert auch dieser Film nur an den Umbrüchen und Zweigstellen zwischen Leichtigkeit und Pathos. Als Naima zum Beispiel ihre Tochter ins Internat und damit ein Stück näher an die Selbständigkeit bringt, leistet sich Honig und Asche eine Autofahrt an Steilklippen entlang – und in den Abendhimmel hinein. Für einen Moment droht das Bild von Mutter und Tochter auf die Seite der Heilsbotschaften zu kippen. Ein Schwindel, der vorübergeht.Elisabeth Wagner

Alabama