„Alle zu verwöhnt“

Pay-TV, bitte kommen: Auf dem Medienforum NRW wurde deutlich, daß niemand weiß, wann und wie es mit der digitalen TV-Revolution klappt  ■ Von Lutz Meier

Eigentlich liegt jetzt eine goldene Zukunft vor den Fernsehkonzernen. Die Politik müsse nur die beschränkenden Gesetze beseitigen, so hatten sie jahrein, jahraus getönt, dann würde es, zum Wohle des Standorts, schon losgehen mit der Digitalisierung und dem Zukunftsgeschäft. Jetzt haben die Bundesländer den deutschen TV-Markt dereguliert, am weitestgehenden in Europa, wie der Saarbrücker Medienrechtler Dieter Dörr anmerkte. Doch statt Aufbruch- beherrscht Katerstimmung die Szene.

Die Branche, die sich jahrelang als das Zukunftsgewerbe schlechthin gefeiert hat, sieht sich nun von ihren eigenen Lebenslügen eingeholt. Helmut Thoma, als RTL- Chef einer von zweien, die mit kommerziellem Fernsehen überhaupt Geld verdienen, drückte es auf dem Kölner Medienforum so aus: „Es müssen neue Einnahmequellen her.“ Das genau ist das Problem: Mit werbefinanziertem Fernsehen ist das Geld schwer zu verdienen, doch wie bringt man den zögernden Zuschauern bei, daß sie für die umsonst gern genommene Ware nun zahlen und auch noch für die Technik und für die Dividende der Deutschen Telekom aufkommen sollen? Oder wie es ein Konzernmanager ausdrückt: „Unsere Leute sind zu verwöhnt.“ Das Problem ist der Markt, der vielbesungene. Vor der Revolution der Digitalisierung herrscht Ratlosigkeit: Niemand weiß die Regeln, nach denen sie ablaufen wird, keiner kennt den Zeitpunkt. Alle, so der Berliner Medienwächter Hans Hege, redeten von Wertschöpfungen und einer „Goldgrube“ – „Nur müssen die Werte erst noch geschaffen werden, aus denen man schöpfen will.“

Dabei liegt es diesmal garantiert nicht an den Regulierungen. Die gibt es nämlich einstweilen gar nicht. Die Politik ist nur in Person des NRW-Wirtschaftsministers Wolfgang Clement (SPD) aufgetreten, der lieber moderiert als reguliert, wenn Telekom und Konzerne die digitale Zukunft abmachen. Jetzt hat erstmals der Hamburger Sensatskanzleichef Thomas Mirow (SPD) Vorschläge gemacht, wie Gesetze für die Kabelzukunft aussehen könnten. Er schlug vor, die Netzkapazitäten, die nicht allein nach kommerziellen Regeln vergeben werden, auf ein Drittel festzulegen, damit das Fernsehen „entwicklungsoffen“ bleibe. Der Vorsitzende der Medienwächter, Rainer Hochstein, ging noch weiter: Auch der Anteil des Netzbetreibers (also vor allem der Telekom) bei der Programmvermarktung müsse begrenzt werden. Und sein Berliner Kollege Hege sagte, eigentlich müsse auch der Zugriff der Telekom auf 30 Prozent der Kabelplätze begrenzt werden.

Gibt es also eine Regulierung nach der Deregulierung? Wohl kaum. In den maßgeblichen Staatskanzleien in Düsseldorf und München macht man sich eher Gedanken, wie man zu den erwartenden Verabredungen zwischen Telekom und Bertelsmann/Kirch den gesetzlichen Rahmen gibt. Für die SPD-Länder steht bislang allein der Platz der Öffentlich-Rechtlichen im Vordergrund. Sei der gesichert, so ist in NRW zu hören, dann könne im kommerziellen Bereich recht freie Bahn herrschen.

Der Medienrechtler Dörr mahnte dagegen an, die Informationsfreiheit der Zuschauer in den Mittelpunkt der rechtlichen Begründungen zu stellen, und der grüne Medienpolitiker Rezzo Schlauch ergänzte: „Wenn wir Fernsehen und Rundfunk als Teil unserer demokratischen Ordnung behalten wollen, ist es eine Pflicht, zu verhindern, es der Telekom zu überlassen.“