„Im Vergleich zu Rio nüchtern“

Gemischte Gefühle auf dem Treffen, das die deutschen Umweltschützer auf die UN-Konferenz von New York vorbereiten sollte  ■ Aus Bonn Matthias Urbach

Ernüchterung – das Wort fiel häufig auf diesem Symposium: Knapp 400 Umwelt- und Entwicklungsaktivisten hatten sich in der gediegenen Bad Godesberger Stadthalle in Bonn versammelt, um am Montag und Dienstag Bilanz zu ziehen – „Fünf Jahre nach dem Erdgipfel“. Groß das Bedauern: Kaum etwas sei geschehen, um hin zu einer nachhaltigen Entwicklung umzusteuern. Wer nun in zehn Tagen zur Bilanz-Vollversammlung der UN nach New York fahre, „wird im Vergleich zu Rio nüchtern sein“, sagte Wolfgang Engelhardt, Präsident des Deutschen Naturschutzringes (DNR).

Die Klimaaktivisten sind mit ihrem Lamento in bester Gesellschaft: „Fünf Jahre nach Rio hat sich der Zustand der Umwelt weiter verschlechtert“, heißt es auch im offiziellen UN-Papier zu New York. Und: „Die Zahl der Menschen in Armut ist größer geworden.“ Barbara Unmüßig, Sprecherin des gastgebenden Forums Umwelt und Entwicklung, gestand, daß sie beinahe eine alte Rede noch einmal vorgetragen hätte, sie spüre „Langeweile über die immergleichen Fakten“. Was sie in Bonn nicht daran hinderte, dennoch viele wieder aufzuzählen. Anschließend wurde in zwölf Foren fleißig an fachlichen Details der Nachhaltigkeitskonzepte gearbeitet.

Am Ende beschlich viele das Gefühl, daß die wichtigste Frage ausgeblendet wurde: Wie können wir unsere Ziele besser durchsetzten? Diese Konferenz mache nach außen den Eindruck, daß „da Leute in angenehmer Atmosphäre akademisch parlieren“, bemerkte Sascha Müller- Kraenner vom DNR besorgt im abschließenden Plenum. Hier kamen doch die Fragen auf, nach neuen Prioritäten, nach dem Ausstieg aus dem „Beteiligungs-Overkill“, der die meist ehrenamtlichen Aktivisten von Konferenz zu Konferenz taumeln läßt – und Kräfte bindet. Doch statt einer lebhaften Diskussion konnte die Diskussionsleiterin im Plenum nur eine „lahme Atmosphäre“ feststellen. Es fehle eben ein Entwurf, klagte Wolfgang Mai von Brot für die Welt.

Nur einmal, gleich beim ersten Plenum, kam richtig Leben in den Saal, als Gerhard Friedrich, stellvertretender CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender, die Versammlung vom Podium provozierte: „Die Umweltverbände sind blind für ihre eigenen Erfolge, triefen vor Frust, und das finde ich jämmerlich.“ Eine Kritik, die viele annahmen, trotz der Schärfe.

Bezeichnend, daß es ein Wissenschaftler war, Reinhard Loske vom Wuppertal Institut, und keiner aus den Verbänden, der Erfolge nannte: Die weltweite Vernetzung der Aktivisten, die „Sauereien in den hinteren Winkeln der Erde unmöglich macht“, zählte Loske auf. Es gebe neue Allianzen zwischen Umweltschützern und Industrie und erste Erfolge der lokalen Agenda 21: In den Städten entstünden Runde Tische für eine nachhaltige Entwicklung, „wo Gruppen zusammenkommen, die sonst nicht miteinander reden“.

Im Forum zum lokalen Agenda- Prozeß war dann die Skepsis wieder größer: Deutschland sei da „Entwicklungsland“, nur eine von achtzig Gemeinden mache bislang mit. Das Forum war typisch für das ganze Symposium, die Debatte blieb abstrakt. Ein konkretes, leuchtendes Beispiel wurde nicht vorgestellt, keine Visionen entwickelt. Symptomatisch die abschließenden Forderungen des Forums: Die Bundesregierung solle die lokale Agenda bundesweit koordinieren, Infomaterial bereitstellen und eine PR-Kampagne starten. Das erboste sogar einen der Referenten: „Unsinn“, schimpfte Ulrich Nitschke von Agenda-Transfer. „Zu allgemein und beliebig.“