Wenn die Polizei nicht klingelt

■ Das Bundesverfassungsgericht läßt Klagen gegen Hausdurchsuchungen zu. Rechtsschutz bleibt gewährt

Karlsruhe (taz) – Wer glaubt, daß seine Wohnung von der Polizei zu Unrecht durchsucht wurde, kann dies künftig vor Gericht überprüfen lassen. Dies entschied der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in einem gestern veröffentlichten Beschluß. Bisher galten Klagen gegen polizeiliche Ermittlungsmaßnahmen in der Regel als „unzulässig“, wenn die Maßnahme bereits abgeschlossen war. Rechtsschutz gab es nur bei Wiederholungsgefahr oder bei besonders willkürlichen Eingriffen.

Gleich vier Verfassungsbeschwerden hatten in Karlsruhe Erfolg. In zwei Fällen hatte die Polizei nicht angemeldete Radiogeräte gesucht. Die Betroffenen fanden es jedoch unverhältnismäßig, wegen einer solchen Lappalie eine Hausdurchsuchung zu veranstalten. Die hiergegen gerichteten Klagen wurden von den Gerichten jedoch als „unzulässig“ abgelehnt.

Nicht besser erging es einer Studentin, die die Kreditkarte ihres Exfreundes weiter benutzt hatte. Auch bei ihr wurde die Wohnung durchsucht, obwohl eigentlich nur gestritten wurde, ob die Frau zu Besitz und Nutzung der Karte noch berechtigt war. Als man die Kreditkarte bei ihr nicht fand, besorgte sich die Polizei gleich noch einen Durchsuchungsbeschluß für die Wohnung ihres Bruders. Dort fand sich die Karte zwar auch nicht, beschlagnahmt wurde aber ein Pornovideo. Wieder waren die Klagen „unzulässig“.

Da es bei einer Wohnungsdurchsuchung um einen „tiefgreifenden Grundrechtseingriff“ gehe, sei immer ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben, urteilte jetzt das Verfassungsgericht. Karlsruhe hat damit auch seine eigene Rechtsprechung geändert. 1978 hatte man noch gegenteilig entschieden. (Az. 2 BvR 817/90 u.A.) Christian Rath