Schweden macht Ernst. AKW, nej tack

■ Das Parlament in Stockholm beschließt, alle zwölf Atomkraftwerke des Landes stillzulegen. Die Abgeordneten setzen damit eine 17 Jahre alte Volksabstimmung um. Der erste Meiler soll im Juli 1998 vom Netz, der letzte 2010

Stockholm (taz) – Neun Stunden debattierten Schwedens Reichstagsabgeordnete, dann faßten sie am späten Dienstag abend einen historischen Beschluß. 17 Jahre nach der Volksabstimmung und 13 Jahre, bevor das letzte AKW eigentlich dichtgemacht werden soll, wird mit dem Ausstieg des Landes aus der Atomkraft endlich Ernst gemacht. Der erste Reaktor wird am 1.Juli kommenden Jahres stillgelegt.

Mit Barsebäck-1 wird es zwar nicht der älteste der zwölf schwedischen Reaktoren sein, aber immerhin der mit der am meisten kritisierten geographischen Lage in Sichtweite der dänischen Hauptstadt Kopenhagen. Der Reaktorblock Barsebäck-2, der 1975, zwei Jahre nach Barsebäck-1, ans Netz gegangen ist, soll drei Jahre später folgen.

Der jetzt gefaßte Parlamentsbeschluß, hinter dem neben den regierenden Sozialdemokraten auch das bäuerliche Zentrum und die Linkspartei stehen, segnet formal einen bereits gefaßten Regierungsbeschluß ab. Über ein entsprechendes „Ausstiegsgesetz“ wird damit die juristische Grundlage geschaffen, den AKW-Betreiber Sydkraft zum Abschalten zu zwingen. Bisher konnte die Regierung nur aus Sicherheitsgründen die Betriebserlaubnis widerrufen. Sydkraft, hinter der mittlerweile über PreussenElektra und HEW mehrheitlich deutsche Interessen stehen, hatte zuvor erklärt, „freiwillig“ keinem Ausstiegsbeschluß folgen zu wollen. In Schweden wird heute einem Referendum von 1970 Rechnung getragen. Damals stimmte die Mehrheit für den Atomausstieg. Aktuelle Meinungsumfragen signalisieren mittlerweile eher eine knappe Mehrheit für einen Weiterbetrieb der Atomanlagen. Der ursprüngliche Fahrplan, Schließung aller Anlagen bis zum Jahr 2010, wird nun kaum einzuhalten sein. Der Regierung fehlt bislang ein Konzept für die Schaffung von Ersatzenergiequellen. Der Wegfall des Stroms der ersten Reaktoren soll in Schweden im wesentlichen mit Energieeinsparungen und Stromimporten aus Dänemark und Norwegen kompensiert werden. Rund zwei Milliarden Mark wurden vom Parlament zusammen mit dem Ausstiegsbeschluß für die Entwicklung neuer Energiequellen zur Verfügung gestellt. Und was einen Abriß der künftigen AKW-Ruine Barsebäck angeht, der so schnell wie möglich stückweise im schwedischen Urgestein verschwinden soll, da machen sich schon seit einiger Zeit Experten über die Erfahrungen im bundesdeutschen Greifswald vor Ort kundig. Reinhard Wolff