Ein zweiter Uwe Seeler?

■ Vor der heutigen Aufsichtsratswahl droht St. Paulis Präsident Weisener mit dem Rücktritt, falls nicht die Kandidaten gewählt werden, die ihm genehm sind

Vom neuen Aufsichtsrat hat Heinz Weisener ganz genaue Vorstellungen. Das sollen Leute drin sitzen, die sich dem FC St. Pauli verpflichtet fühlen, fordert der Präsident des Bundesliga-Absteigers. Und noch wichtiger: „Sie müssen Fachkompetenz haben und zu sachlicher Arbeit fähig sein.“

Diese beiden wichtigen Eigenschaften besitzen die Aufsichtsrats-Kandidaten der „Arbeitsgemeinschaft interessierter MitgliederInnen“(AGiM) nicht – behauptet Weisener. „Die haben andere Vorstellungen als ich“, erklärte der FC-Boß gestern gegenüber der taz.

So will die AGiM beispielsweise, daß der Verein „von unten nach oben regiert wird“. Weisener nicht. Die AGiM, die sich nicht als Opposition versteht, verhalte sich „wichtigtuerisch“. Sie betreibe „Effekthascherei“, kritisierte Weisener in der Welt und drohte indirekt mit seinem Rücktritt, falls einer der beiden AGiM-Kandidaten, Holger Scharf und Wolfhard Schlapmann, heute abend gewählt würde.

Diese harsche Kritik will AGiM-Sprecher Scharf nicht auf sich sitzen lassen: „Weisener hat ein merkwürdiges Demokratieverständnis.“Er könne nicht damit leben, daß andere Meinungen im Verein existierten. „Aber es ist immer noch der FC St. Pauli und nicht der FC Heinz“, stellt Scharf klar. Für ihn ist Weiseners Verhalten „Uwe Seeler in Reinkultur“. Im vergangenen November hatte der HSV-Vorstandsvorsitzende mit seinem Rücktritt gedroht, falls nicht alle elf Kandidaten der Führungscrew gewählt würden. Der Coup, den viele als „Erpressung“empfanden, gelang, wenngleich ein Gegenkandidat der Fangruppierung „HSV Supporters“nur ganz knapp scheiterte.

Dieses Schicksal hofft AGiMler Scharf nicht zu erleiden. Ihm sei durch Weiseners Verhalten klar geworden, daß die Wahl im CCH „die letzte Chance ist, etwas im Verein zu verändern“. Das Präsidium kümmere sich fast gar nicht um die Belange der Amateur-Mannschaft. Auch die Interessen der Fans würden ignoriert: „Wir haben versucht, mit dem Präsidium in Kontakt zu treten. Das gelang uns nie.“

Zudem könne keine Rede davon sein, daß die engagierten Fans eine Verantwortung übernehmen wollten, wie Weisener bemängelte. „Wir wollen, deshalb möchten wir ja in den Aufsichtsrat“, sagt Scharf. Für Weisener wäre es der Anfang vom Ende, wenn die „laute Minderheit“im Kontrollgremium säße. Im übrigen wolle er mit seiner öffentlichen Ablehnung der AGiM überhaupt nicht drohen, versicherte Weisener. „Ich möchte nur darauf hinweisen, daß dies ein Umgestaltungsversuch zum Nachteil des Vereins ist und welche Konsequenzen dies haben kann.“C. Gerlach