Mehr als eine Gnadenfrist

■ Eine sechste Klasse der Max-Brauer-Gesamtschule Bahrenfeld wehrt sich gegen die Abschiebung ihres bosnischen Mitschülers

Über Basketball läßt sich leicht reden. „Jasmin ist der beste von uns“, erklärt die 12jährige Mona. „Er und sein Bruder spielen in der Schulmannschaft.“In der Ecke des Klassenzimmers steht ein Pokal, Auszeichnung für den Hamburger Schulmeister. Mona ist sicher: „Wenn Jasmin nicht mehr dabei ist, werden wir nicht gewinnen.“

Wenn Jasmin nicht mehr dabei ist – darüber läßt sich schon schwerer reden. Der Sechstkläßler soll zurück nach Bosnien, wie sein Bruder und 35 andere Jungen und Mädchen an der Max-Brauer-Gesamtschule in Bahrenfeld. Im März 1998 endet seine Duldung. Was dann passiert, dazu will Jasmin nichts sagen. Seine Mitschüler protestieren gegen die Abschiebung. „Jasmins Familie weiß doch gar nicht, wohin sie soll. Zvornik, wo ihr Haus steht, ist heute serbisch“, meint der 13jährige Johannes. Das hat er auch Henning Voscherau erklärt, in einem Brief. Schulsenatorin Rosemarie Raab und Innensenator Hartmuth Wrocklage bekamen ebenfalls Post.

„Jasmin Batanovic hat hier sehr viele Freunde“, schreiben Lars und Patrick. „Er hat sich sehr gut in Hamburg eingelebt.“Seit fünf Jahren lebt der 13jährige mit seiner Mutter und zwei Brüdern in Deutschland. Sie kommen aus der Republik Srpska, die vor dem Krieg bosnisch war und jetzt serbisch ist. Vergangene Woche haben die Innenminister aller Länder entschieden, daß bis März keine Familien dorthin abgeschoben werden dürfen.

Diese Gnadenfrist reicht der 6c nicht. „Jasmins Vater ist von den Serben verschleppt worden, und seine Mutter ist psychisch krank, was ja verständlich ist“, schreibt Aliso Joseph. Wenn die Familie zurück muß, „hat sie dort keine Zukunft“. In Deutschland dagegen könne Jasmin „später mal was werden.“Außerdem sei eine Mutter mit drei Kindern nicht in der Lage, sinnvolle Aufbauhilfe zu leisten, argumentiert Klassenlehrer Gunnar Klick.

Er ist ob der bürgermeisterlichen Reaktion ebenso enttäuscht wie die SchülerInnen. Denn Voscherau ließ per Senatskanzlei mitteilen, er habe die Schreiben „der zuständigen Behörde für Inneres übermittelt“. Die erklärte, daß Bearbeitung und Überprüfung des Falles „eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen“werde. Ein unbefristetes Bleiberecht „dürfte aber schwierig werden“, sagte Wolfgang Brand, Sprecher der Innenbehörde, zur taz. Daß ihr Hausarzt Jasmins Mutter Depressionen attestiert, ändert daran nichts. Ausländerbehörden-Sprecher Norbert Smekal erklärt: „Da muß der Amtsarzt entscheiden.“Zu dem wagt sich die Frau aber nicht, aus Angst vor den Behörden.

Die Klasse 6c will sich dennoch weiter wehren – will Briefe schreiben, mit Zeitungen und Fernsehsendern reden. Auch die MitschülerInnen von Jasmins 15jährigem Bruder, der ebenfalls auf die Max-Brauer-Schule geht, protestieren gegen die Abschiebung. „Ich verstehe zwar nicht sehr viel von Politik“, schreibt der 12jährige Aliso, „aber hier hört mein Verständnis endgültig auf!“ Judith Weber