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„Das ist Apartheid“

■ GAL fordert Girokonten für uns alle

Wer „unauffällig“ aussieht, seinen finanziellen Verpflichtungen nachkommt, eine anständige Adresse hat und sich auch sonst nicht durch Querulantentum hervortut, darf im Regelfall ein Girokonto sein eigen nennen. Wer nicht, der muß sein Geld bar mit sich herumtragen – und das sind in Hamburg nicht wenige. Rund vier Millionen Mark hat es die Stadt im vorigen Jahr gekostet, SozialhilfeempfängerInnen ohne Girokonto Geld anzuweisen.

Verschärft hat sich die Situation dadurch, daß seit Anfang des Jahres auch die privatisierte Postbank nicht mehr jedem ein Konto einrichten muß. Die Hamburger Sparkasse (HASPA) und andere Geldinstitute wollen sich das „Recht auf ein Girokonto“ nicht juristisch aufzwingen lassen. „Wir sind kein Wohltätigkeitsbetrieb“, sagt der HASPA-Pressesprecher Wolfgang Blümel. Im Prinzip sei man zwar sehr liberal, aber „jeder potentielle Kunde muß geprüft werden“.

Dieter Obermeier, HASPA-Abteilungsleiter und Statt Partei-Abgeordneter, fand deutlichere Worte: Banken seien mit dieser Kundschaft „überfordert“ und könnten keine Sozialarbeit leisten. „Wer will es den Banken verdenken, wenn sie für Problemkunden Konten nur ungern führen wollen!“ Man könne doch auch kreativ sein und zum Beispiel in den Sozialämtern Geldautomaten aufstellen.

„Damit hätten die Banken ihr Ziel, nämlich diese Leute aus den Schalterhallen wegzukriegen, hervorragend erreicht“, kontert hingegen Sozialbehördensprecherin Christina Baumeister. Es ginge darum, die Diskriminierung zu beenden, man arbeite an einer bundesweiten gesetzlichen Lösung. Als „Zwischenschritt“ hat die Hansestadt in St. Pauli und Eimsbüttel den Modellversuch „effektive Sozialhilfe“ geschaffen; unter anderen bekommen ausgewählte Sozi-Empfänger vom Sozialamt „Empfehlungsschreiben“, um bei der Bank die Eröffnung einen Girokonto zu erbitten.

Doch die Kriterien, die das Amt zugrunde legt, findet die GAL skandalös: „Gepflegtes Äußeres, keine Drogen und um Arbeit bemüht sollen sie sein, um an die Bank empfohlen zu werden“, empört sich der GAL-Referent Dirk Hauer. „Das ist Apartheid.“

Das Recht auf ein Girokonto „unabhängig vom Aussehen, Geschlecht, Hautfarbe oder Einkommensverhältnisse“ fordere im übrigen nicht nur die GAL, sondern auch alle sozialen Institutionen, um „eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben“ zu ermöglichen“ – damit die „Auffälligen“ nicht zu Aussätzigen werden. Silke Mertins

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