Intellektuelle wider Willen

■ Pavement treten zusammen mit Blumfeld, Crowsdell, Mercury Rev, Lotion, Shudder To Think und Heather Nova auf dem Big Cat-Festival auf

Ohne seine Videokamera verläßt Steve Malkmus neuerdings nur noch selten seine Wohnung in Brooklyn. Für den Pavement-Sänger genießt „diese großartige Sache“ momentan höchste Priorität. Interviewpartner auf Promotour werden beispielsweise gefilmt, „vielleicht einmal für ein Video“. Auf jeden Fall spricht der 27jährige gerne und viel über seine neueste Leidenschaft. Über Woweee Zowee, das jüngst auf Big Cat (hier via Rough Trade vetrieben) erschienene, mittlerweile dritte Album seiner Gruppe, hingegen weniger.

Speziell sind es die totakademisierenden Fragen, die den nicht Unhübschen nerven, der jener Rockband vorsteht, auf die sich momentan alle einigen können – von MTV bis Lo-Fi, falls das überhaupt noch gegensätzliche Pole sind: „Ich mag es nicht, wenn man uns nur als große, intellektuelle Band verkaufen will, ich will nicht nur über die intellektuelle Ebene der Musik sprechen.“ Worüber denn, wenn nicht über den großen Entwurf? Jenen Masterplan, den er doch haben muß, schließlich soll er den Rock'n' Roll zu neuen Ufern führen, dieser Middleclass-Messiahs, born in Stockton/California. „Ich weiß nicht, vieles passiert einfach so, das kann ich nicht erklären.“ Also doch wieder und immer noch: It's Only Rock'n 'Roll But I Like It?

Etwas mehr ist es sicherlich schon als nur Gefallen, was Malkmus antreibt, dafür sind seine Kompositionen einfach zu kleinteilig, zu genau ausgearbeitet. Jeder Ton sitzt, keine Note zuviel, und dennoch wirkt es nie steril, zu perfekt. „Wir haben immer versucht, uns dieses kindliche Interesse, dieses Staunen zu bewahren, an all den verschiedenen Musikarten“, gibt er damit auch seine Sicht der Dinge preis, „wir haben uns nie als Anti-Rock verstanden.“ Ein Zerstörer will er also nicht sein, was im übrigen viel einfacher wäre, als mühsam nach den letzten Resten von rockmusikalischer Tradition zu suchen, an die sich noch anzuknüpfen lohnt.

Wie leicht hätte es Malkmus sich machen können, nach dem (medialen) Erfolg des Vorgängers Crooked Rain Crooked Rain. Noch einmal das Gleiche oder aber der totale Bruch? „Wir wollten aber nicht, daß die neue Platte wie die vorige wird.“ Statt dessen befinden sich – neben sehr eingängigen Stücken – auf Woweee Zowee nun unter den 18 Songs auch mehrere sehr kurze. „One-Minute-Things“, nennt Malkmus sie, „Extra Noises“, Krach mithin, die dem Hörer „eine zusätzliche Seite der Band nahebringen sollen“. Und mit Sicherheit Verwirrung hinterlassen werden, diese Versatzstücke, die so wirken, als würden sie sich erst später einmal zu etwas Homogenem fügen. Fast schon wie Brian Wilson von den Beach Boys mit seinen unzähligen Teilen von Heroes And Villains (die er nie vereinigen konnte, wie er es immer vorgehabt hatte). „Wir versuchen manchmal auch, so zu arbeiten, die späten Werke der Beach Boys sind ein großer Einfluß für uns.“

Auch auf der textlichen Ebene will Malkmus die Kontraste nicht übertünchen. Neben Sloganhaft-Plakativem wie „Fight This Generation“ mag eine Zeile wie „Pick Out Some Brazilian Nuts For Your Engagement“ stellvertretend stehen für seine Art des „freien Assoziierens“, mit der er nicht auf Perfektion aus sei. „Wenn mir ein Text gefällt, lasse ich ihn so und will ihn gar nicht mehr verbessern.“ Der Augenblick zählt für Malkmus, die Gesamtperspektive dabei jedoch nie ausblendend.

Wie bei seiner Videokamera, mit der er Momente festhält und später zusammenfügt. Wie bei allem, was er tut. Aufnehmen, neu erschaffen. Wie ein Gott?

Clemens Gerlach

10. Juni, Stadtpark, ab 15 Uhr