Gottes Klopse nicht für alle

■ Going Public – Hamburgs Schwule und Lesben feiern

Was für die Franzosen der 14. Juli ist, könnte für die Schwulen der 22. Juni werden – der identifikationsspendende Jubeltag für Paraden und Feste, der Anlaß zum Demonstrieren innerer und äußerer Mittel und der Selbstdarstellung als funktionierendes Ganzes. Keiner der Cops, die am 22. Juni 1969 in der New Yorker Christopher Street mit einer Routinerazzia im schwulen „Stonewall Inn“ zeigen wollten, wer das moralische Sagen hat, ahnte wohl, daß die Mädels sich an ausgerechnet diesem Abend die Schikanen nicht mehr gefallen lassen und in einer wüsten Straßenschlacht die moderne Schwulenbewegung begründen würden. In Hamburg hat das, was zum 25. Jubiläum im letzten Jahr in New York über eine Million Menschen auf die Füße brachte, in der Vergangenheit keine Massen mobilisiert.

Jetzt soll und könnte das anders werden. Zum ersten Male hat sich ein Großteil der einschlägigen Hamburger Gruppen und Einrichtungen zusammengetan, um unter dem Motto „lesbischwules fest in hamburg, Going Public!“ in völliger Eigenverantwortung ein umfangreiches Veranstaltungs- und Kulturprogramm zu bieten. Vom 10. bis 17. Juni liegt dieser „CSD im neuen Gewand“ zu früh für den eigentlichen Jahrestag, doch der Zeitpunkt ist überaus geschickt gewählt. Schon wegen des gleichzeitigen evangelischen Kirchentags kommen nämlich haufenweise Schwule und Lesben in die Stadt und vervielfachen das potentielle Hamburger Publikum. Kein Zufall ist es da, daß einige Veranstaltungen wie Schnittpunkte zwischen dem Beiprogramm des Kirchentags und dem Programm des lesbischwulen Festes klingen. Die prominent besetzte Kirchen-Talk-show „Gottes Segen nicht für alle“ etwa, die am 16. 6. (10 Uhr, St.Georgskirche) die Synodialpräsidentin der Nordelbischen Kirche, Elisabetz Lingner, unter anderem mit Aidspastor Rainer Jarchow zusammenbringt. Das eklektische Programm reicht ansonsten vom „Kurs für Motorrad-Fortgeschrittene (Ladies Only)“ über die Vorführung von Praunheims Bewegungs-Klassiker bis zum lesbischwulen Gnosa-Sommerfest am 14. 6. ab 21 Uhr auf der Gurlitt-Insel. Publikumswirksame Höhepunkte sind das schon in der Vergangenheit erfolgreiche „Um die Alster gegen Aids“ (11. 6., ab 13 Uhr, Jungfernstieg), die Verhüllung des Lessingdenkmals (11.6. 17 Uhr, Gänsemarkt) sowie die große Going-Public-Parade am 17. 6. um 11Uhr ab Café Gnosa.Thomas Plaichinger