Den Theaterkahn flott kriegen

■ Ulrich Waller und Ulrich Tukur stellten ihre Pläne für die Hamburger Kammerspiele vor

Zu Beginn spricht der Gesellschafter, und zwar deutlich: Eigentlich hätten die Kammerspiele längst von der Hamburger Kulturszene verschwunden sein müssen. Die finanzielle Situation habe sich katastrophal entwickelt. Mit einer Besucherauslastung von 32 Prozent sei in der vergangenen Spielzeit der absolute Tiefpunkt erreicht worden. Zusätzliche Geldmittel müßten dringend her, um das Theater wieder flottzumachen. So empfing Jürgen Hunke die versammelte Journaille am Mittwoch zur Jahrespressekonferenz in den Hamburger Kammerspielen.

Kein Wunder, daß Ulrich Waller und Ulrich Tukur, die nach vielem Hin und Her vor einigen Monaten die Leitung der Traditionsbühne übernahmen, von Anfang an von einem Sympathieklima getragen wurden, als sie nachfolgend ihre Projekte für die kommende Spielzeit präsentierten. Und wahrhaftig, an Einfallslosigkeit wird's nicht liegen, wenn es den beiden nicht gelingen sollte, innerhalb der zunächst anvisierten zwei Jahre den auf Grund gelaufenen Theaterkahn wieder in Fahrt zu bringen. Derart umfangreich ist die Spannbreite der Vorhaben, daß sich eine Linie vorerst kaum erkennen läßt. Vielleicht wäre das auch zuviel verlangt, denn man will, so der federführende Ulrich Waller, „erst mal sehen, was im Haus funktioniert“, sich Flexibilität erhalten. Und die angestrebte Vielfalt macht die vermißte eindeutige Orientierung allemal wett.

Basis des Angebots wird allerdings auch weiterhin das klassische Künstlertheater sein, das „große Theater in kleiner Form“, das den hautnahen Kontakt mit den Schauspielern ermöglicht. Als Zugpferde sollen dabei große Namen dienen, allen voran Ulrich Tukur, der bereits in der ersten Premiere der kommenden Spielzeit, Borcherts Draußen vor der Tür, dabeisein wird. Kaum weniger ambitioniert ist die zweite Produktion, die deutsche Erstaufführung des neuesten David-Mamet-Stückes Das Kryptogramm, einer autobiographischen Kindheitsreflexion. Gastspiele und Wiederaufnahmen ergänzen diese Seite des Programms.

Verstärkt engagieren werden sich die Kammerspiele zukünftig im Kabarett, angefangen mit Gastspielen bekannter Namen wie Arnulf Rating von den Drei Tornados und Matthias Richling bis hin zu Projekten, die die Grenze zwischen Kabarett und Zeitstück austesten sollen. Außerdem fielen auf der Pressekonferenz die Namen Ulrich Wildgruber und Michael Bogdanov, letzterer wird Charlys Tante inszenieren, und Benjamin Britten, dessen Kammeroper Albert Herring im Januar auf die Bretter des Hauses gelangen soll. Bleibt abzuwarten, ob all diese Verhandlungen und Sondierungen zu Ergebnissen führen. Jörg Königsdorf