„Geistiger Brandstifter“

■ Rechtslastigkeit und Gutsherrenmentalität? / Umstrittener Chefredakteur sorgt für Unruhe bei Pinneberger Tageszeitung Von Marco Carini

„Die Sektkorken“, so Volker Dörken, Betriebsratsvorsitzender der Westfalenpost hätten „geknallt, als Rainer Mohrmann ging“. Denn der 40jährige Journalist, seit 1989 Redaktionsleiter der Lokalausgabe Ennepe-Süd, war bei vielen seiner KollegInnen als Schleifer und AusländerInnenfeind verschrien. Die Redaktion des Holsteiner Tageblatt in Pinneberg hingegen ist zur Zeit nicht in Sektlaune. Hier heuerte der umstrittene Journalist vor zwei Monaten an: als neuer Chefredakteur.

In Pinneberg soll Mohrmann nach Auskunft der MitarbeiterInnen vor allem Rationalisierungen durchsetzen. Planstellen sollen auf Geheiß des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlages, der seit 1994 Mehrheitseigner des Blattes ist, abgebaut sowie Redaktion, Lay-Out und Zeitungsproduktion umstrukturiert werden. Die MitarbeiterInnen sehen schon heute einen deutlichen „Qualitätsverlust“ durch die vom neuen Chef eingeleiteten Maßnahmen. Da Mohrmann „eine Diskussion über all diese Themen abgelehnt“ haben soll, wandten sich Mitglieder der Redaktion am Dienstag hilfesuchend schriftlich an die Geschäftsführung.

Mohrmann aber scheint gewillt, seinen Kurs durchzuziehen. Ein Mitarbeiter des Pinneberger Tageblattes: „Er regiert hier nach Gutsherrenart mit Rausschmiß-Drohungen“. Westfalenpost-Betriebsratschef Volker Dörken kennt das gut: „Herr Mohrmann hat unliebsame Mitarbeiter nach Kräften traktiert, mit Hausverboten um sich geworfen und an die 20 KollegInnen rausgeballert“. Dörken weiter: „Mohrmann hat den Betriebsfrieden empfindlich gestört“.

Auch Redakteur Jürgen Taake, der die Lokalredaktion Ennepe-Süd wegen Mohrmann Anfang der neunziger Jahre verließ, weiß zu berichten, „daß unter diesem Mann ein selbständiges und kritisches Arbeiten nicht möglich“ gewesen sei. Taake: „Wir mußten fast jeden Termin, den wir für die Zeitung besuchten, von Mohrmann genehmigen lassen. Über Gewerkschaftskundgebungen sollte möglichst gar nicht geschrieben werden“. Mohrmanns eigene Berichterstattung, so ergänzt Dörken, sei „mit rechtslastig noch lieb umschrieben“.

So diskriminierte der Lokalchef Roma und Cinti als „Zigeuner“ und polemisierte wiederholt gegen vermeintliche Wirtschaftsflüchtlinge. Zitate aus Mohrmann-Texten: „Keine Gesellschaft kann sich einen Asyl-Tourismus, wie ihn die Bundesrepublik zur Zeit erlebt, leisten.“ Ob er nun über „illegal nach Deutschland eingereiste Zigeuner, die sich Asylanten nennen“ oder über Flüchtlinge, „deren einziges Anliegen es ist, die deutschen Sozialkassen zu plündern“ schrieb – „Mohrmann schoß sich mit Vorliebe“, so Ex-Redakteur Taake, „auf Asylbewerber ein.“

Bei Straftaten erwähnte Mohrmann regelmäßig den „ethnischen Hintergrund“ der mutmaßlichen TäterInnen (“Drei Zigeuner auf Klautour erwischt“), Vorverurteilungen stützte er mitunter auf Mutmaßungen. So berichtete der Journalist beispielsweise über eine (unaufgeklärte!) Sachbeschädigung mit den Worten: „Die Spur der dreisten Täter läßt sich später die gesamte Gartenstraße entlang bis zum Wendehammer, in dem das Asylbewerber-Wohnheim liegt, verfolgen“.

Auch der Hamburger Landesverband der DGB-Gewerkschaft Deutsche Journalistenunion (dju) hat bereits Wind von dem Chefwechsel in Pinneberg bekommen. Hamburgs dju-Vorsitzender Jürgen Bischoff nimmt dabei kein Blatt vor den Mund: „Was ich aus den vergangenen Jahren von Mohrmann kenne, wäre durchgängig reif für eine Rüge des Deutschen Presserates. Was er in der Westfalenpost über Flüchtlinge und Emigranten schrieb, grenzt schon an geistige Brandstifterei“.

Der Gewerkschaftschef hält Mohrmann deshalb für eine glatte Fehlbesetzung: „Ein Journalist, der in seinen Kommentaren sogar das Wort Asylanten in Anführungszeichen setzt, gehört nicht in eine Leitungsposition und paßt schon gar nicht in das liberale Klima, das bisher in den Medien des Kreises Pinneberg gepflegt wurde“.

Rainer Mohrmann selbst war gestern zu keiner Stellungnahme gegenüber der taz bereit.