Polemiken und Mißverständnisse

■ Über gute Menschen, linke Phrasen und spitze Federn: Wiglaf Droste tritt doch beim Hamburger Kabarettfestival auf Von Dirk Knipphals

An Wiglaf Droste gibt es einiges zu kritisieren. Vor allem dies: Er kann nicht singen. Und versucht es doch immer wieder. So auch am vergangenen Freitag zu später Stunde beim Kabarettfestival auf Kampnagel. Droste las aus seinen Texten, und zwischendrin stellte er mehrmals seinen Oberkörper gerade, schloß die Augen, konzentrierte sich angestrengt und ließ dann seine Stimme durch die Halle schweben. Oder eben nicht recht schweben, sondern flattern, aber es sei ihm verziehen, bei so viel Inbrust ist es der Versuch, der zählt.

Ob Wiglaf Droste bei einem Festival für Kabarett gut aufgehoben ist, ist eine andere Frage. Schließlich ist er kein Kabarettist (und nimmt die alkoholselig-narzistischen Usancen dieser lustigen Leute auch recht hübsch aufs Korn). Entgegen einem weitverbreiteten Mißverständnis ist Droste auch kein Satiriker. Er schreibt Polemiken. Das sind laut Meyers Großem Taschenlexikon: „scharfe, oft bis zur persönl. Anfeindung und mit nicht sachbezogenen Argumenten geführte Auseinandersetzungen in Literatur, Kunst, Ethik, Religion, Philosophie, Politik usw.“

Worauf es bei Polemiken von links, wie Droste sie schreibt, ankommt: Erstens auf die richtigen Gegner – im Zweifelsfall immer die, die zwar auch mal das Richtige wollen können, dies aber nie mit Hilfe eines Denkvorgangs tun, sondern aufgrund von Meinung und Betroffenheit. Zweitens kommt es auf die Spitzheit der Feder an, bei der altehrwürdigen Kunstform der Polemik ist alles erlaubt.

So tat Droste am Freitag das, was von ihm erwartet werden durfte: Er machte sich über Gutmenschen (Christen, Lichterkettenteilnehmer, Tierschützer) lustig, streute Launiges über David Copperfield oder Eberhard Diepgen als Berliner Panda-Bären-Kuppler ein und entlarvte linke und sonstige Phrasen. Dies tat er mit ordentlichen Vortragsqualitäten. Im Publikum wurde gelacht. Warum auch nicht, es ist ja auch lustig. Wenngleich es so neu auch wieder nicht ist. Uns selbst gefallen Drostes selbstironische Betrachtungen aus dem links-alternativen Leben mit kuscheliger Vergangenheit auf dem Flokati und Keith Jarrets Köln-Concert auf dem Plattenteller besser.

Das war's. War's das? Ach ja, zuerst stank es allen gewaltig. Ein sogenannter autonomer Zusammenhang hatte vor Beginn der Lesung mit Buttersäure geworfen, es kam zu halbstündiger Verspätung und Verlegung. Hierzu nur soviel: Die Vorwürfe des Sexismus und des Täterschutzes von Kinderschändern kann, wer Droste gehört hat, bestenfalls unverständlich finden. Ansonsten ist diesbezüglich alles gesagt, in der taz vom 5. Mai, der taz hamburg vom 10./11. Juni und der aktuellen konkret.