Verdammt total normal

■ Kunstsimulantinnen und Mädchenbande: die „sandra-group 2000“

Sie können eine beflissene Journalistin schon zur Weißglut treiben. Sie sind keine Musikgruppe, keine Tanz-, Gesangs-, Film- oder Theatertruppe – sie sind einfach nur Mädchen, die dauernd auf sich aufmerksam machen. Mit süffisantem Lächeln geben die Girls der sandra-group 2000 eine unkonkrete Antwort nach der anderen: Wie viele Mitglieder hat die Crew? „Keine Ahnung.“Zehn, zwanzig oder mehr, sie kämen jedenfalls alle aus Hamburg, sogar aus Ahrensburg. Eine Telefonliste? „Haben wir nicht.“Und wie sehen die Planungen für die nächste Zukunft aus? „Wir werden sehen.“Immerhin: Daß es weiter geht, wissen sie genau. Irgendetwas wird ihnen schon einfallen.

Schließlich fällt ihnen seit rund einem Jahr fast jede Woche etwas ein. Frei nach ihrem Motto „Bleib Mädchen - werde Kunst!“gefiel es ihnen vor kurzem noch, die Kunstszene Hamburgs unsicher zu machen. Die 14-17jährigen Mädels in ihren karierten Röcken besuchten gerne Kunstausstellungen oder Vernissagen und erklärten sich mir-nichts-dir-nichts selbst zur Skulptur. Sie plazierten sich demonstrativ irgendwo zwischen die Kunstobjekte und lösten eine Menge Irritation, Heiterkeit, aber auch Mißfallen aus. Die „documenta x“in Kassel wäre die Krönung.

Ansonsten ist das mit den Kunsthäusern jetzt langweilig, finden die sandras und basteln sich mal eben schnell ein neues Motto. „Bleib Mädchen - werde Party!“heißt jetzt ihr Leitspruch. Und – schwupp – wird ein gewöhnliches Würstchengrillen im Stadtpark wie am letzten Sonntag zur „Party“. Was sie machen, muß nichts Spektakuläres sein, denn daß es die sandra-group 2000 macht, ist spektakulär genug.

Die sorglose Mädchenmeute hat immer einen Quotenmann im Schlepptau, ganz dezent im Hintergrund und ganz gehorsam: ihr Bodyguard, der auch wie ein echter Bodyguard aussieht - auffällig unauffällig und ganz schön kräftig. Und wie steht es sonst mit dem anderen Geschlecht? Immerhin kommt „Sandra“von Alexandra und bedeutet „die Männer-Abwehrende“. Die Mädels schreiben in ihrem sandra-group 2000-Magazin freigiebig über ihre Gefühlswelt: Sie verknallen sich, schwärmen, träumen und heulen, wenn es sein muß. Also alles – verdammt noch mal – total normal.

Normal oder nicht normal, den Mädchen ist das total egal. Hauptsache, ihre heutige Party im Karoviertel wird ein Hit. Vier sandras legen ihre Lieblings-House-und- HipHop-Scheiben auf. Bei der Gelegenheit wird die sandra-Fan-Zeitung, so munkelt man, von zwei hörigen Handlangern feilgeboten. Der eine ist Philosoph, der andere Künstler. Beide sind ziemlich brotlos und irgendwie dubios, denn sie scheinen in ihrem Diensteifer den Sinn ihres Lebens gefunden zu haben.

Ist diese Girl-Group nun einfach nur eine Bande lebenslustiger Teenies mit einem Herz für arme Schlucker oder verbirgt sich hinter dieser harmlosen Fassade eine Horde männermordender Mini-Vamps? Klar ist nur eins: Sie sind abscheulich undefinierbar.

Birgit J. Neumann

heute, 21 Uhr in der Egal Bar, Marktstraße 131