„Wir wollen wirklich solche Experimente mit Affen unnötig machen“Zwölf Primaten im Netzwerk der Kognitionsforschung:

■ Welchen Umfang und welchen Kontext sollen die Tierexperimente mit Primaten an der Bremer Uni haben? Ein Interview mit dem Biologen Prof. Gerhard Roth, Leiter des Sonderforschungsbereiches Kognitionsforschung, Leiter des Instituts für Hirnforschung und Tierschutzbeauftragten der Universität

taz: Herr Roth, warum haben Sie nicht 1996, als die Berufung von Dr. Kreiter beschlossen wurde und Gespräche über das geplante Makaken-Labor mit dem Rektor stattfanden, die universitäre Öffentlichkeit informiert und gesagt: Hört her, die Biologen wollen den alten Konsens aus den 80er Jahren – keine Tierversuche mit Hunden und Katzen und höheren Lebewesen – verlassen? Warum haben Sie nicht mit offenen Karten gespielt?

Roth: Wenn überhaupt, dann war das ein stillschweigender Konsens mehrerer Leute, andere Tierexperimentatoren im Hause haben damals gesagt: mache ich nicht. Bekanntlich ist das nie schriftlich fixiert worden, war nicht bindend in dem Sinne. Wir haben im vergangenen Jahr in der Biologie und im Forschungsbereich Kognitionswissenschaften die Diskussion geführt: Wollen wir Primatenversuche oder nicht, lange bevor diese Stelle ausgeschrieben wurde. Unsere Gutachter und Berater haben gesagt, nur Frösche und Salamander alleine werden nicht reichen . Dann habe ich weit vor der Beschlußfassung über die Berufungsliste mit der Gesundheitsbehörde Gespräche geführt und gefragt, ob es grundsätzliche Bedenken gibt gegen Primatenversuche. Die haben gesagt: Nein. Und dann haben wir besprochen: Sollen wir in die breite Öffentlichkeit gehen? Da wurde mir gesagt: nein...

Von wem wurde das gesagt?

Das möchte ich nicht sagen, das wäre unfair.

Der Akademische Senat hat im April 1997 aus der taz erfahren, daß Experimente in dem Umfang geplant sind...

Sehr viele Mitglieder haben das lange vorher gewußt, mindestens die Hälfte.

... und die andere Hälfte nicht. Merkwürdig, daß in der Universität so ein wichtiges Thema ohne offene Debatte verhandelt wird.

Sie müssen das anders sehen. Diese Entscheidung ist eine der Wissenschaftler des Fachbereichs und des Sonderforschungsbereiches. Es ist völlig unüblich, ein universitätsweites Hearing über sowas zu machen. Es ist auch von niemandem, auch nicht vom Rektor oder den Fachbereichssprechern, gefordert worden. Warum soll das von mir kommen?

Sie sind nebenbei auch Tierschutzbeauftragter.

Ich habe als Tierschutzbeauftragter meiner Pflicht dadurch Genüge getan, daß ich die Behörde gefragt habe: Gibt es grundsätzliche Bedenken? Als Sprecher des Sonderforschungsbereiches habe ich die Aufgabe, alle, die es angeht, zu kontaktieren. Daß man da große Risiken eingeht, wenn das ganz breit diskutiert wird, das ist doch klar, und wenn mich niemand auffordert, dann habe ich meine Pflicht getan.

Wie groß soll die eigentliche Abteilung Primatenforschung sein? Ist es richtig, daß Herr Kreiter mit vier Mitarbeitern aus Frankfurt nach Bremen kommen will?

Das wird in der Größenordnung sein.

Die Psychologen, die an dem Sonderforschungsbereich beteiligt sind, haben beschlossen, daß sie mit Primatenforschung ...

... nichts zu tun haben wollen. Die Psychologie ist nur ganz indirekt betroffen: Nur insofern, als ein Forscher, Herr Dr. Nothdurft ...

... ein Biologe...

Der ist Physiker von Hause aus, aber seit Jahren im Max-Plank-Institut für biophysikalische Chemie in der Abteilung Neurobiologie tätig gewesen bei Herrn Prof. Creutzfeldt. Der macht psychophysische Untersuchungen am Menschen und in begrenztem Maße auch Untersuchungen in Göttingen. Weil die Abteilung aufgelöst ist – sie war übrigens so erfolglos, daß immerhin zwei Nobelpreise aus ihr hervorgegangen sind – Herr Nothdurft hat den Wunsch, an eine andere Universität zu gehen, die Max-Planck-gesellschaft leiht Herrn Dr. Nothdurft sozusagen aus. Er wird aus dem Bestand dieser Abteilung zwei Affen mitbringen, zehn wird Herr Kreiter haben.

Warum ist der nicht bei den Biologen untergebracht worden, sondern am Fachbereich 11, Psychologie?

Weil er kein Biologe ist.

Er ist auch kein Psychologe.

Seit vielen Jahren macht er psychologische Experimente. Der Fachbereichssprecher Herr Prof. Stadler wollte unbedingt, daß Herr Dr. Nothdurft bei ihm arbeitet.

Vor ein paar Tagen bin ich aus der Universität darauf hingewiesen worden, daß rund um die Abteilung Primaten-Forschung andere Primaten-erfahrene Wissenschaftler berufen werden sollen.

Leider – oder muß man sagen: gottseidank – ist da überhaupt nichts dran...

... zusätzliche zu Herrn Nothdurft ...

... überhaupt niemand.

Sogar unter dem Titel des Lehrstuhls für Humanbiologie haben Sie einen Ruf an Frau Petra Störig ausgesprochen, die an Makaken-Experimenten beteiligt ist.

Nein, das ist nicht richtig.

Sie hat Veröffentlichungen gemacht über Affen, deren Sehzentrum experimentell zerstört wurde, in Oxford.

Das stimmt, aber der Zusammenhang ist ein anderer. Frau Störig, die übrigens abgesagt hat, kommt aus München, und hat dort keine Affen. Sie hat auch nie Affen gehalten. Sie ist, um psychologische Untersuchungen an Affen zu machen, nach London, Oxford und sonstwohin gefahren.

Da wurde der Sehnerv von Affen zerstört und sie macht ihre Forschung damit.

Sie hat öffentlich erklärt, daß sie in Bremen nicht mit Affen arbeiten wollte. Sie wird jetzt nach Düsseldorf gehen, weil sie dort die sehgeschädigten Patienten hat, mit denen sie arbeiten kann.

Ihre Affen hat sie in Oxford...

Na gut, aber worüber reden wir - sie kommt nicht. Ob sie das fortgeführt hätte in Oxford, wenn sie gekommen wäre, weiß ich nicht.

Mir ist berichtet worden, daß Sie in einer Berufungskommission für einen Lehrstuhl für theoretische Physik auch fragen, ob die Physiker bereit wären, mit der Primaten-Abteilung zusammenzuarbeiten...

Natürlich. Die Stelle ist ja dafür geschaffen. Die Leute sollen zusammen mit den Experimentatoren arbeiten. Sie sollen Modelle machen mit den Daten, die aus den Experimenten herauskommen. Das tut Herr Schwegler seit Jahren mit den Experimenten mit Amphibien, die wir hier machen. Und jetzt suchen wir jemanden, der im Bereich der Säugetiere, Ratten, Affen, auch diese Modellierungen macht. Wir haben uns aber noch nicht festgelegt, wen wir da berufen.

Und dann gibt es noch die Stiftungsprofessur...

Diese Professur soll vorzeitig eingerichtet werden für die Nachfolge von Herrn Professor Flohr. Das soll im Bereich der limbischen Systeme sein, eventuell Neuropharmakologie, also Ursachen und Folgen von Drogen. Solche Experimente werden grundsätzlich in Deutschland nicht an Affen gemacht, dafür nimmt man Ratten und Mäuse.

Wenn man Erkenntnisse für die Therapie von Drogenabhängigkeit gewinnen will, muß man doch mit den Experimenten nahe an den Menschen herangehen...

Natürlich. Sie müssen Untersuchungen an Menschen machen. Untersuchungen auf der zellulären Ebene aber können Sie an einfachen Tieren machen, Ratten etwa ...

... oder etwa an Affen?

Nein, das wäre viel zu gefährlich und zu teuer. Da muß man in komplexe Gehirne eingreifen. Ich habe versichert: Solange ich hier bin, und das wird noch über zehn Jahre sein, wird kein Primatenforscher für diese Stelle infrage kommen. Der Wunschkandidat, den wir haben, Herr Flohr und ich, der arbeitet mit Ratten und an Menschen.

Sie gehen nach Delmenhorst...

Ich bin seit Anfang Januar Rektor des Hansekollegs, zu zwei Fünfteln.

Und ihre restlichen drei Fünftel?

Ich werde hier vertreten durch einen Vertretungsprofessor. Der Kollege macht Untersuchungen an Fischen.

Mir hat ein Biologe Ihres Fachbereiches gesagt: Wenn da einmal die Makaken-Affen sind, dann werden alle ihre Fische und Lurche und Ratten vergessen und unter der Fahne der grundgesetzlich garantierten Freiheit der Forschung danach streben, auch an den Affen forschen zu dürfen. Das hat ein höheres Renommée.

Ausdenken kann man sich vieles. Als Leiter des Sonderforschungsbereiches kann ich nur sagen, daß ich das nicht will. Ich habe ja auch eine Vorstellung davon, welche Tierversuche wirklich nötig sind. Solange ich hier mit das Sagen habe, wird das nicht sein. Ich will das nicht.

Die Grünen haben in der Bürgerschaft die Frage aufgeworfen: Warum profiliert sich die Universität Bremen, wo es schon acht Primatenlabors gibt allein in Deutschland ...

... mehr.

Warum profiliert sich die Bremer Uni nicht mit anderen Forschungsmethoden?

Diese Richtigung, die wir in Bremen ausbauen, die kognitive Neurobiologie, die gibt es in Europa in der Zusammensetzung überhaupt nicht. Experimentatoren, die mit Fischen, Amphibien, Ratten und dann mit Primaten arbeiten, dazu zwei Lehrstühle in der theoretischen Physik, dazu Psychologen, Informatiker, und Philosophen – insgesamt über 150 Leute, das gibt es überhaupt nicht in der Welt. Ein kleiner Teil ist da in Primatenforschung einzubringen. Auf einem Parallel-Lehrstuhl wird jemand berufen werden, der mit den bildgebenden Verfahren arbeitet. Gerade die Weiterentwicklung der bildgebenden Verfahren braucht zur Zeit die Untersuchung am Primaten, weil die auf absehbare Jahre nicht diese zelluläre Ebene erreichen. Wenn man bei der Erforschung kognitiver Leistungen – Denken, Bewußtsein, Wahrnehmung, Erinnern – weiterkommen will, muß man das alles so kombinieren. Das haben uns auch die Experten außerhalb Bremens so gesagt. In Oxford ist ein großes Institut mit 140 Affen, die arbeiten an anderen Fragestellungen, wir haben hier zehn. Daran sehen Sie, daß wir uns hier sehr stark beschränken.

Stichwort Oxfort: Würden Sie solche Experimente, bei denen das Sehzentrum von Affen zerstört wird, in Bremen für akzeptabel halten?

Ich selbst sehe das nicht, Herr Kreiter plant das überhaupt nicht. Wenn Herr Kreiter mit sowas ankäme, müßte man das sehr kritisch betrachten. Diese Versuche haben große Bedeutung gehabt bei der Aufklärung von Seelenblindheit, ich denke aber: Das machen wir nicht. Damit wird ja – im Unterschied zu Kreiters Versuchen – das Gehirn wirklich geschädigt. Die Tiere bei uns werden ja nicht deshalb umgebracht, weil sie ein geschädigtes Gehirn haben. Sie müssen nach ein paar Jahren getötet werden, das verlangt das Tierschutzgesetz ...

Und ihr Gehirn muß nach den Experimenten seziert werden..

Ja, aber da können wir am ehesten mit dem bildgebenden Verfahren in der Zukunft ansetzen und diese Tötung unnötig machen. Wir sind ja wirklich daran interessiert, irgendwann mal solche Versuche unnötig zu machen. Int.: K.W.