Initialen für das Objekt der Begierde

Im vergangenen Jahr wurden der Berliner Polizei 26.959 Diebstähle gemeldet, für die ein Schadenswert von insgesamt über 22 Millionen Mark errechnet wurde. Eine auffällige Gravierung am Rahmen dämmt den Veloklau ein  ■ Von Martin Kaluza

Der hinlänglich bekannte Kalauer, dem zufolge gutes Rad teuer ist, hat in den letzten Jahren erheblich an Aktualität gewonnen. Die Preise für Edelbikes gehen in die Tausende, und das, obwohl heutzutage (außer Bremsen und Sattel) serienmäßig fast gar nichts mehr dran ist an so einem Drahtesel. Um so ärgerlicher, wenn einem das gute Stück geklaut wird. Es trifft nicht einmal nur komplette Räder, immer häufiger werden von sicher abgeschlossenen Rahmen die Einzelteile abgebaut.

Im vergangenen Jahr wurden allein der Berliner Polizei 26.959 Fahrraddiebstähle gemeldet, für die zusammen ein Schadenswert von 22.238.583 Mark errechnet wurde – das sind über 800 Mark pro Rad. Die Dunkelziffer ist kaum abzuschätzen, zumal die aus Kellern entwendeten Fahrräder in der Diebstahlstatistik nicht auftauchen: Sie werden generell unter Einbruchsdelikten verbucht, die nicht nach Fahrrädern und anderen Gegenständen aufgeschlüsselt werden. Außerdem kann man davon ausgehen, daß viele Delikte gar nicht erst zur Anzeige gebracht werden, vor allem wenn alte Klapperräder wegkommen. Das kriminelle Element läßt sich nicht im geringsten dadurch abschrecken, daß der Veloklau als „besonders schwerer Diebstahl“ geahndet wird und im Extremfall unattraktive Haftstrafen winken.

Einen typischen Täterkreis gibt es nicht. Das Spektrum reicht von organisierten Banden, die regelrecht nach Bestellung bestimmte Modelle abklemmen, über Drogenabhängige, die Geld für den nächsten Schuß brauchen, bis hin zu Gelegenheitsdieben, die auf dem Heimweg von der Kneipe ein nicht angekettetes Tandem erspähen. Geklaut wird auch keinesweg nur bei Nacht und Nebel. „Gerade die Universitäten sind neuralgische Punkte. Hier kommen tagsüber unzählige Fahrräder weg“, weiß Christine Schubert von der Pressestelle der Berliner Polizei. Diebe, die die Fahrradständer nach Brauchbarem durchforsten und sich dann an Schlössern zu schaffen machen, würden nicht weiter beachtet.

Auf frischer Tat ertappt werden die Schurken fast nie. Hin und wieder wird ein Rad bei Verkehrskontrollen gefunden. Vor allem zu Beginn der warmen Jahreszeit werden auch Radler an den Straßenrand gewunken und die Rahmennummern gecheckt. Andere Fahndungserfolge gibt es in der Drogenszene. Die Beamten der Spezialeinheiten kennen und beobachten „ihre Pappenheimer“. Schubert: „Wenn da jemand plötzlich mit einem teuren, neuen Rad auftaucht, fragen sie sich zum Beispiel, woher er das viele Geld hat oder wieso er das nicht für Drogen ausgibt.“

In den meisten Fällen ist die Polizei jedoch machtlos. Magere 4,6 Prozent der angezeigten Diebstähle konnte sie 1996 aufklären.

Daß so viele Räder gestohlen werden und die Aufklärungsrate so gering ist, hat nach Ansicht des ADFC nicht zuletzt verkehrspolitische Auswirkungen. Sein Berliner Pressesprecher Benno Koch erklärt: „Die Angst vor einem Diebstahl wird zum Hemmnis für die Nutzung des Fahrrades.“ Wer ein Edelbike hat, läßt das Rad lieber in der sicheren Wohnung stehen, als es sich an der U-Bahn oder vor dem Büro klauen zu lassen. Der Griff zum Fahrrad ist damit keine Selbstverständlichkeit mehr, sondern wird zum Risiko – manch einer mag das Auto sicherer finden. (Damit sind Fahrraddiebe nicht nur allgemein ein übles Pack, sondern auch noch Umweltsäue.)

Folglich macht sich der ADFC verstärkt Gedanken, wie Räder besser gesichert und mögliche Diebe abgeschreckt werden können. Grundsätzlich wird empfohlen, Velos mit ausgesuchten Schlössern (Stiftung Warentest, ADFC-Liste) an fest verankerten Gegenständen anzuschließen. Damit ist es vor Gelegenheitsdieben schon sicher. Einzelteile lassen sich durch Schrauben sichern, für die nur individuelle Spezialschlüssel passen (zum Beispiel mit dem System der Firma Pit-Lock).

Außerdem empfiehlt der ADFC, Fahrräder mit einer auffälligen Gravierung am Sattelrohr kodieren zu lassen (siehe Kasten): Eingeritzt wird ein Code aus Initialen und Geburtsdatum des Besitzers sowie ein Kennbuchstabe für die Stadt. Die Idee ist, daß mögliche Käufer von gestohlenen Rädern durch die Markierung mißtrauisch werden und nachhaken, ob das Angebot sauber ist. Das klingt zwar nach keiner revolutionären Neuerung, soll aber funktionieren. Koch: „In Bergisch Gladbach kommt es seit Beginn der Aktion zu weniger Diebstählen, und die Rückführungsquote ist auch gestiegen.“ Mittlerweile hat sich in Berlin die DEVK-Versicherung als Sponsor eingeschaltet.

Koch fügt hinzu, daß vielleicht auch psychologische Strategien helfen können, das Velo vor Banditen zu schützen: „Alle Teile, die nicht unbedingt gereinigt werden müssen, sollte man ruhig zugammeln lassen.“ Auffälliges Chrom und trickreiche Präzisionsmechanik verstecken sich so vor dem nervösen Auge des Übeltäters.

Und wem das alles noch nicht sicher genug erscheint, dem sei noch die Faustregel des ADFC-Bundesvorsitzenden Horst Hahn-Klöckner mit auf den Radweg gegeben: „Stell dein Fahrrad immer neben ein schöneres!“