Hörend Sehen

■ Der Blinden- und Sehbehindertenverein Hamburg verlieh einen ersten Filmpreis

„The audience is listening.“Unmittelbar bevor der Film beginnt, macht diese Zeile auf der Leinwand den Kinobesucher darauf aufmerksam, daß dort, wo er sich befindet, auch in akustischer Hinsicht alles stimmt. Die Klimaanlage läuft, und der Stereoton ist garantiert.

„The audience is listening“– manchmal allerdings ist das mehr als die halbe Wahrheit über die Aufmerksamkeit des Publikums. Um diese unbekannte Seite des Kinos und darum, wie Filme nicht nur für die Augen, sondern auch für die Ohren und auf den Wegen der „Audiodeskription“erzählen können, ging es am Donnerstag im Louis-Braille-Haus, dem Zentrum der Blindenselbsthilfe, anläßlich der Verleihung eines Filmpreises.

Drei Kurzfilme von Studenten des Institutes für Theater, Musiktheater und Film wurden einer Jury von Sehenden und Nichtsehenden vorgeführt. Entstanden sind die Werke im Rahmen eines Erstsemester-Projekts mit dem Titel „Blindheit im Film“. Weil die Gefahr der Klischees und vorschnellen Bilder aber auch für Filmemacher auf der Hand liegt, haben sie sich bemüht, die Grenzen des eigenen Gesichtsfeldes zu verlassen. Zusammen mit Blinden und Sehbehinderten und über gegenseitiges Fragen und Lernen wurden die folgenden Produktionen entwickelt: Blind Man Blues von Andrea Katzenberger, Ein perfekter Mord von Frank-Peter Lenze und Peter Volkmanns Schmetterlingsreigen.

So unterschiedlich diese drei Filme mit dem Thema der Blindheit umgehen, so kameraverliebt oder detailversessen, sie haben alle das klischeeanfällige Rollenprofil des Blinden zugunsten einer witzigen und liebevollen Erzählweise aufgelöst. Wobei es den Studenten natürlich in erster Linie um Film und um dessen Parameter geht: Ihr Interesse ist das Interesse am eigenen Sujet, am Einstellungswinkel der Kamera und am Plot des Drehbuchs. Für die blinden Kinogänger dagegen stellt sich vorrangig die film- und sozialkritische Frage nach zumeist dummen und verletzenden Rollenbildern. Wie stellen Sehende Blinde dar, und welche Spulen laufen dabei ab?

Diese erste Verständigung über das Medium Film – besonders durch den lästigen Fixpunkt eines zu verleihenden Filmpreises – war durch die Maßgabe unterschiedlichster Kriterien seitens der Beteiligten geprägt. So blieb der Sinn der Veranstaltung nicht auf die Prämierung von Andrea Katzenbergers Blind Man Blues und den blinden Hauptdarsteller Tobias Rogge beschränkt – das Interessante und wirklich Belebende an diesem Abend war die verwirrende Vielzahl der Perspektiven selbst.

Elisabeth Wagner