Rot-Grüne Verkehrspolitik auf der Anklagebank

■ Umweltinitiativen werfen Düsseldorfer Regierung „zukunftsvernichtende“ Verkehrspolitik vor. Widerspruch aus eigenen Reihen gegen Fundamentalkritik

Essen (taz) – Ein Großteil der nordrhein-westfälischen Umweltverbände und Verkehrsinitiativen ist von der Verkehrspolitik der rot- grünen Landesregierung bitter enttäuscht. Auf einer Protestkonferenz in Essen verabschiedeten etwa 150 BI-Vertreter ein „Manifest“, in dem der Düsseldorfer Regierung eine „industriehörige Verkehrspolitik“ vorgeworfen wird. Auch Teile der Bündnisgrünen seien „innerhalb von zwei Jahren von vielversprechenden Initiatoren einer Verkehrswende zu Erfüllungsgehilfen einer schwarz-roten Verkehrspolitik in NRW geworden“, heißt es wörtlich in dem Papier. Zu den Unterzeichnern des „Manifestes“ gehören auch sechs bündnisgrüne Kreisverbände.

Der BUND-Landesvorsitzende, Michael Harengerd, warf der Düsseldorfer Regierung unter heftigem Applaus eine „zukunftsvernichtende Verkehrspolitik“ vor. Auf diesem Felde bewege sich die rot-grüne Regierung „weitgehend im Gleichklang mit der Bundesregierung“. Die Verantwortung dafür trage nicht nur der sozialdemokratische Wirtschafts- und Verkehrsminister, Wolfgang Clement, sondern auch die Bündnisgrünen, deren Politik einer „Wählertäuschung“ gleichkomme, sagte Jörn Jobs von der Viersener BI gegen den Ausbau des Mönchengladbacher Flughafens.

In dem „Manifest“ wird ein sofortiger Stopp des Fern- und Landesstraßenbaues gefordert. Auch die Flughäfen sollen nicht ausgebaut werden. Statt nur immerfort den Weg für mehr Autos und Flugzeuge freizumachen, sei es die Aufgabe einer ökologisch orientierten Politik, Verkehr möglichst zu vermeiden. Auto- und Flugverkehr solle verlagert werden auf die Schiene. Die Bahn müsse entsprechend gefördert werden.

Kritik an der bloß „papierenen Protestform“ der Veranstalter kam in Essen von Mitgliedern des Anti-A-33-Hüttendorfes aus dem Raum Bielefeld. Die BesetzerInnen eines Waldstückes in Borgholzhausen warfen den Initiatoren eine reine „Medienshow“ vor, wo es doch darum gehe, über „eine Strategie des zukünftigen Widerstands zu reden“. Schließlich werde das Essener Manifest „weder Rau, Clement, Höhn noch Vesper“ beeindrucken.

Nicht anwesend waren in Essen Verbände wie der alternative Verkehrsclub Deutschland (VCD) oder der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club (ADFC), die die Düsseldorfer Politik deutlich anders bewerten. Gegenüber der taz lobte etwa ADFC-Geschäftsführer Georg Hundt die Radverkehrspolitik als „außergewöhnlich im Vergleich zu allen anderen Bundesländern“. Und auch die Förderung von Bussen und Bahnen sei „in Ordnung“. Während im Essener „Manifest“ das Düsseldorfer Trassensicherungskonzept als „unzureichende Alibimaßnahme“ abgetan wird, wertet Frank Schopphoff von der bergischen Pro-Bahn- Initiative dieses Konzept als „wirksame Unterstützung“. Insgesamt habe die rot-grüne Regierung, so Schopphoff zur taz, den Schienenverkehr gefördert.

Derweil steht den Bündnisgrünen kommenden Sonntag auf dem Parteirat ein heißer Tanz bevor: Diesmal geht es um Düsseldorfer Flughafen, an dem das Land zur Hälfte beteiligt ist. Den Anteil will die SPD an Private verkaufen. Während die Grünen den Flugverkehr dämpfen wollen, erhofft sich SPD-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement von dem Verkauf und dem Wiederaufbau des Düsseldorfer Flughafens eine Kapazitätserweiterung.

Die Bündnisgrünen hatten sich zuletzt auf ihrem Parteitag in Borken gegen jede Privatisierung, die eine Kapazitätserweiterung zuläßt, ausgesprochen. Weil die grüne Partei- und Fraktionsspitze im Rahmen der Verhandlungen mit der SPD-Führung über einen Nachtragshaushalt inzwischen den Weg zur Privatisierung weitgehend freigemacht hat, wollen nun mehrere grüne Kreisverbände ihre Führungscrew per Parteiratsbeschluß zur Umkehr zwingen. Walter Jakobs