Die Menschen gehen, die Container kommen

■ Hafenerweiterung Altenwerder: Der letzte Kläger gibt Widerstand auf

Werner Boelke zieht an der Zigarette. „Dies ist meine schwierigste Pressekonferenz“, sagt der letzte Altenwerder Grundeigentümer. Wirtschaftssenator Erhard Ritterhaus (parteilos) nickt. Nach 23 Jahren erbitterten Streits um die Hafenerweiterung sitzen Senator und Kläger Boelke im Stadtteilzentrum „Die Moorburg“erstmals an einem Tisch, um ihre „außergerichtliche Einigung“zu präsentieren. Blitzlichter gewittern.

„Nach fast 50 Jahren, die ich hier gelebt habe“, wird Werner Boelke die Elbinsel zum 31. Mai 1998 verlassen. Seine Klage gegen den Hafenausbau nimmt er zurück. Der Hafenerweiterung steht damit juristisch nichts mehr im Weg. „Ich kann mir den Frevel an der Natur nicht länger antun“, begründete er gestern seinen Entschluß. Die meterhohe Sandschicht, die die Stadt derzeit aufspült, reicht bis fast an seinen Garten heran; die wenigen Nachbarn sind gegangen oder werden es demnächst tun. Sein Haus und Grundstück (2.200 Quadratmeter) verkauft Boelke an die Stadt, die dort Kaimauern bauen will. Der Gegenwert, auf den man sich geeinigt habe, sei „Privatsache“, aber „akzeptabel“. Sein neuer Wohnort liege „irgendwo zwischen Hamburg und Haiti“.

Wirtschaftssenator Rittershaus strahlte über das Ergebnis der „fairen und menschlichen Gespräche“, das den Hafen als „Lebensgrundlage Hamburgs“sichere und Boelke „eine vergleichbare Bleibe“garantiere. „Ich kann nachvollziehen, daß man um seine Scholle kämpft“, suchte er versöhnliche Stimmung zu verbreiten. Doch der „Wettbewerb um die internationalen Warenströme“fordere den Preis der Biotopzerstörung. Boelke muß nun seine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht zurücknehmen: „Ich verzichte auf dieses Urteil.“Es mache „keinen Sinn, vielleicht Recht zu bekommen, wenn Altenwerder schon kaputt ist“. An seiner Überzeugung, daß die Hafenerweiterung ein unnötiges Milliardengrab sei, ändere das nichts. Der Förderkreis Rettet die Elbe wird seine Verbandsklage aufrechterhalten.

Nach der finanziellen und juristischen Einigung bleibt Boelke jetzt noch eine weitaus schwierigere Aufgabe zu bewältigen: „Altenwerder wird mich bis an mein Lebensende begleiten.“

Heike Haarhoff