Gegengeschäfte Von Klaudia Brunst

Die Umbaumaßnahmen in unserer Wohnung schreiten mit Macht voran. Kaum war die Hinterhauswohnung von Frau Lippholt ausgeräumt, erschien letzte Woche auch schon unser Hausbesitzer, um im Schlafzimmer den Durchbruch zu schlagen. „Sie sollten vielleicht das Bett ein wenig abdecken“, riet er uns, als er mit großen Schritten an uns vorbei durch den Flur auf die entscheidende Wand zustapfte.

„So geht das irgendwie nicht“, raunte mir meine Freundin zu, während ich in unserer Werkzeugkiste hektisch nach einer Plastikplane suchte. Resolut stellte sie sich dem Mann mit dem Vorschlaghammer in den Weg, noch bevor er größeres Unheil anrichten konnte, und bot unserem Vermieter listig eine Tasse Kaffee an. Unter Preisgabe unseres gesamten Keksvorrats handelte sie schließlich einen zweitägigen Baustopp aus. „Ich glaube nicht, daß ihr hierbleiben könnt, während hier Wände eingerissen, Türen versetzt und Böden abgeschliffen werden“, gab unsere Nachbarin zu bedenken und bot uns großherzig an, während dieser Zeit in ihrem Gästezimmer zu logieren. „Ich mache euch auch einen guten Preis“, versicherte sie uns, „sagen wir: pro Peson 50 Mark die Woche. Kleintierhaltung: 10 Prozent Aufschlag. Wir können natürlich auch ein Gegengeschäft vereinbaren. Ich mache demnächst Flohmarkt, falls ihr was wegschmeißen wollt...?“

Es blieb uns nichts anderes übrig, als einzuwilligen. Unsere gesamte Habe sollte in der Zwischenzeit im Wohnzimmer untergebracht werden, dem einzigen Raum, der von den Umbaumaßnahmen nicht betroffen sein würde. „Wir sollten die Situation wirklich zum Ausmisten nutzen“, fand meine Freundin und entwickelte ein Drei-Wege-System mit Kisten a) für den Sperrmüll, b) für den Flohmarkt unserer Nachbarin und c) den Verbleib in unserem Haushalt.

Voller Eifer machten wir uns an die Arbeit. Nach einer Stunde hatten wir bereits zwanzig Kisten gepackt, mit einer Ausnahme alle der Kategorie C. „So geht das nicht“, rügte uns unsere Nachbarin geschäftstüchtig. „Ihr könnt doch nicht eure eigenen Schränke ausmisten. Ihr müßt über Kreuz packen, also jeweils den Krempel der anderen ausmisten. Nur so kann man sich trennen.“

Tatsächlich ging es so viel leichter. Ohne zu Zögern entsorgte ich das braunbeige Steingut-Teeservice, das meine Freundin in unsere Ehe eingebracht hatte, sowie alle getöpferten Henkelbecher in Kiste A. Gekränkt über meine Herzlosigkeit (es stellte sich heraus, daß sie die Becher selbst getöpfert hatte) rächte sich meine Freundin prompt, indem sie nicht nur meine „Lindenstraßen“-Tasse, sondern auch noch den „Käpt'n Blaubär“- Becher dem Sperrmüll überantwortete. Ich konterte mit ihrer Schallplattensammlung, sie returnierte mit meinem Skateboard. Am Abend des ersten Tages besaßen wir – abgesehen von ein paar gemeinsamen Anschaffungen – praktisch gar nichts mehr. „Soviel Geld haben wir doch gar nicht, all diese Dinge neu zu kaufen“, stöhnte meine Freundin verzagt. Wie immer wußte unsere Nachbarin solidarischen Rat: „Schaut euch doch auf dem Flohmarkt um“, meinte sie, während sie die A-Kisten zu Flohmarktware umdeklarierte. „Wenn die Leute umziehen, schmeißen sie erfahrungsgemäß die tollsten Sachen weg.“