■ Urteilsspruch beim Maibaum-Prozeß
: Blaue Flecken

Aufatmen bei sieben jungen Männern im Alter zwischen 18 und 27 Jahren, die sich vor dem Amtsgericht Günzburg wegen des Verbrechens des „räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer“ verantworten mußten (taz vom 10.6.97), weil sie in der Mainacht vor einem Jahr auf offener Straße anderen jungen Burschen einen Maibaum entwendet hatten. Das Gericht befand alle sieben Angeklagten des „gemeinschaftlichen Diebstahls von geringwertigen Sachen“ für schuldig und verhängte gegen alle eine Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen (zwischen 20 und 60 Mark). Einer der Angeklagten wurde darüber hinaus zusätzlich der Nötigung für schuldig befunden, weil er den Schlepper der Maibaum-Besitzer eingekesselt hatte. Richter Roland Groß wies in seiner Urteilsbegründung darauf hin, daß „das Brauchtum im vorliegenden Fall“ in einem „nicht tolerierbaren Maße“ überschritten worden sei.

Vorausgegangen war ein höchst skurriler Verhandlungstag, an dem Amtsrichter Roland Groß sich eifrigst bemüht hatte, deutlich zu machen, „daß es sich hier nicht um eine Witzveranstaltung handelt“. Das freilich geriet durch den Vortrag sowohl der Angeklagten als auch einiger Zeugen immer wieder etwas in Vergessenheit. Der Richter konnte nicht verhindern, daß permanent ein Hauch von „Königlich Bayerischem Amtsgericht“ durch die ehrwürdigen Gerichtsflure zog – vor allem, als einer der Hauptbelastungszeugen, ein nicht mehr ganz junger Polizeibeamter, vernommen wurde. Eingekeilt zwischen zwei Fahrzeuge hätten die Angeklagten den Maibaum- Transporter. „Dann ging das ruck, zuck, und die haben den Maibaum gestohlen“, berichtet der Beamte und fügt an, daß sie Knüppel gehabt und den Beraubten mit Taschenlampen auf die Finger gehauen hätten. Dann freilich wird die Aussage des strengen Wachtmeisters Stück für Stück zerpflückt. „Hab' ich Knüppel gesagt? Es war eine Taschenlampe, von Knüppel war in der Vernehmung nicht die Rede“, muß der verbeamtete Scharfmacher schließlich den Rückzug antreten. Als dann auch noch der Anzeigenerstatter von der Prügelversion beim Überfall abrückt, bleibt von der rohen Gewalt gerade mal ein leichter blauer Fleck übrig. Ins Fäustchen lachen konnten sich bei diesem Prozeß neben einigen Zuhörern bestenfalls noch die Anwälte, die zwischen 700 und 2.000 Mark pro Prozeßtag erhalten. Klaus Wittmann