Frauen für eine große Zukunft

Mit überraschender EM-Bronze im Rücken gehen die deutschen Basketballerinnen verhalten optimistisch das Unternehmen WM im eigenen Land an  ■ Von Ute Berndt

Budapest (taz) – „Das eigentliche Finale hat schon gestern stattgefunden, es war das Spiel Deutschland gegen Litauen. Die Deutschen waren für mich die beste Mannschaft dieser EM.“ Was der italienische Final-Schiedsrichter Pierluigi D'Este wie selbstverständlich aussprach, ist aus deutscher Sicht eine Sensation. Die deutschen Basketballerinnen, ohne jeden EM-Sieg und mit bescheidenem Ziel angereist, sind nach dem Bronzemedaillengewinn in Budapest in aller Munde.

„So wie wir uns auch noch in den letzten Wochen weiterentwickelt haben, ist die Mannschaft kaum wiederzuerkennen“, beschreibt Marlies Askamp die Verwandlung. Die Centerin, in Budapest als erste Deutsche zum „Most Valuable Player“ einer EM gekürt, meinte damit nicht das neue Outfit des Teams, das zunächst mit den hautengen Trikot-Einteilern Aufsehen erregte – dann vor allem aber mit Leistung.

Nur ein, zwei Sekunden hatten dem Team im packenden Halbfinal-Krimi beim 77:78 gegen Europameister Litauen gefehlt, sonst wäre es sogar ins Endspiel eingezogen. Dafür wurden im Spiel um Platz drei, mit einer gehörigen Portion Wut im Bauch, die gastgebenden Ungarinnen 86:81 überrannt, obwohl 7.000 Zuschauer ein Pfeifkonzert anstimmten, sobald das deutsche Team in Ballbesitz kam.

Daß das sonntägliche Finale zwischen Litauen und der Slowakei (72:62) am Ende gegenüber dem Halbfinal-Schocker eher ein Langweiler war, mag auch Ausdruck dafür sein, daß das harte Wettkampfprogramm von acht Spielen in zehn Tagen der Qualität der Endspiele nicht gerade zuträglich ist. „Am Ende entscheidet nur noch die Kraft“, meinte Marlies Askamp. „Ohne Kopf kriegt man den Körper am Ende nicht mehr in Gang“, glaubt auch Bundestrainer Bernd Motte, der sich durch den Turnierverlauf mit seiner Devise von der permanenten Demonstration mentaler und physischer Stärke bestätigt fühlen kann.

Daß die Auswahl des Deutschen Basketball-Bundes international weiter im Geschäft bleiben würde, war von vornherein klar. Der DBB ist als WM-Gastgeber im nächsten Jahr automatisch teilnahmeberechtigt. Durch den aufsehenerregenden 74:57-Triumph gegen den Olympia-Fünften Rußland im Viertelfinale hatten sich die Frauen auch sportlich qualifiziert. „Das gibt uns noch mehr Selbstvertrauen für die WM, jetzt gehören wir ja tatsächlich dorthin“, freute sich Askamp.

Prognosen wie jene des litauischen Erfolgscoachs Vydas Gedvilas, im eigenen Land seien die Deutschen ein Kandidat für den Titel, genoß Bundestrainer Motte angesichts der Spielstärke von Teams wie Olympiasieger USA und Weltmeister Brasilien mit Vorsicht: „Davon sind wir noch weit entfernt. Aber wir dürfen uns mit der EM-Medaille nicht zufriedengeben, sondern müssen uns weiterentwickeln.“

Ein realistisches Ziel der Deutschen sollte es sein, sich erst einmal in Europas Spitze zu etablieren. Daß dies schon schwer genug ist, beweisen die Ergebnisse in Ungarn einmal mehr. Seit 1950 hatte mit zwei Ausnahmen ein Team alle kontinentalen Titelkämpfe dominiert und 16mal in Folge Gold geholt: die Sowjetunion. Doch seit dem Zerfall des Ostblocks 1992, mit seinen politischen und wirtschaftlichen Umwälzungen, ist Bewegung in die Szene gekommen. Bei den drei vergangenen Europameisterschaften konnte lediglich die Slowakei zweimal Edelmetall gewinnen. Diesmal waren es Titelverteidiger Ukraine und der Zweitplazierte Italien, die vorzeitig ausschieden. Finanzielle Probleme drücken viele Verbände, manche können ihre im Ausland aktiven Stars nicht mehr für die nationale Auswahl begeistern. Der unerwartete Erfolg der DBB-Auswahl hat zwar die seit 1993 bestehende Serie mit einer West- Equipe auf dem Treppchen fortgesetzt. Doch sowohl Deutschland als auch Spanien und Italien kämpfen mit Nachwuchsproblemen.

Vorerst jedoch hat die Truppe von Bernd Motte nach vierjähriger Aufbauarbeit Perspektive gezeigt. „Wir haben eine Mannschaft der Zukunft, die sich auch über die WM hinaus weiterentwickeln kann“, glaubt DBB-Präsident Roland Geggus.

Besonders die Vorstellung der beiden erst 20 und 21 Jahre alten Aufbauspielerinnen Andrea Harder (BTV Wuppertal) und Andrea Hohl (Osnabrücker SC) stimmen ihn zuversichtlich. Und auch den Bundestrainer haben die Titelkämpfe in Ungarn mutig gemacht: „Mein Traum ist es, daß wir uns bei der EM 1999 für Sydney 2000 qualifizieren“, sagt Motte. Die zweite Bronzemedaille müßte es dazu schon sein.