Hinterm Skagerrak ist die Souveränität unantastbar

■ Die Schweden sind mit Abstand die EU-Skeptischsten. Die Abneigung gegen den Euro unterstreicht diese Haltung. Für die meisten geht die EU, wie sie ist, weit genug

Vor einigen Tagen hat die schwedische Regierung Brüssel wissen lassen, daß man nicht am Euro teilnehmen werde. Strenggenommen verstößt Stockholm damit gegen die Verpflichtungen, die mit dem EU-Beitritt eingegangen wurden. Denn Schweden erfüllt die Bedingungen und hat für sich, anders als Dänemark und Großbritannien, keine Ausnahmeregelung für die Währungsunion ausgehandelt. Doch wie soll die EU einem Mitgliedsland den Euro aufzwingen, das dem Projekt so skeptisch gegenübersteht, daß es lieber die eigene schwache Krone behalten will, eine Krone, die zum beliebten Objekt für Währungsspekulanten zu werden verspricht.

Die Euro-Verweigerung ist symbolisch für die schwedische Haltung zur EU. Das Erreichte reicht, nur keine weiteren Schritte zu einem europäischen Bundesstaat. In Amsterdam wird Schweden in allen wichtigen Fragen mauern. Die Stockholmer Regierung kann sich dabei durchaus auf die Bevölkerung berufen, die nach allen Umfragen mit großem Abstand die EU-skeptischste ist. Manche meinen, das Land, für das eine EU-Mitgliedschaft vor dem Fall der Berliner Mauer noch nicht einmal denkbar gewesen wäre, sei noch nicht europareif. Andere schieben es auf die bisherigen EU- Erfahrungen, die von einer breiten Öffentlichkeit vorwiegend negativ eingeschätzt werden.

Vielleicht ist es auch die alte Neutralitätstradition und der jahrzehntelange Versuch, ein ureigenes Gesellschaftsmodell aufzubauen, die hier Nachwirkungen zeitigen. Fest steht jedenfalls, daß die EU für die meisten Schweden schon weit genug geht. Mehr europäische Zusammenarbeit wollen sie auf keinen Fall. Bei der Regierungskonferenz, die in Amsterdam in einen neuen EU-Vertrag münden soll, konnte sich Schweden bisher geschickt hinter der britischen Regierung verstecken, die im Gegensatz zur schwedischen ihre Abneigung offensiv zeigte.

In Amsterdam wird die Stockholmer Delegation schon deshalb aus der Deckung gehen müssen, weil der neue britische Premier nicht mehr ganz so hart auftritt wie sein Vorgänger. In einigen Bereichen kann sich Tony Blair durchaus vorstellen, daß künftig nicht mehr einstimmig, sondern mit Mehrheit entschieden wird.

Für Schweden geht es da schnell ans Eingemachte. Bei Fragen von „vitalem nationalen Interesse“, so der schwedische Chefunterhändler Gunnar Lund, dürfe kein Land überstimmt werden können. Und vitales nationales Interesse wird bekanntlich in euroskeptischen Ländern anders definiert als in Resteuropa. Bei der polizeilichen und strafrechtlichen Zusammenarbeit etwa, vor allem aber bei Steuerfragen, sieht die schwedische Regierung die Souveränität bedroht. Wenn es um die gemeinsame EU- Außen- und Verteidigungspolitik geht, ist die Souveränität für Schweden ohnehin unantastbar.

Mehr Gewicht für die Großen „inakzeptabel“

Bei einigen besonders umstrittenen Punkten, die erfahrungsgemäß erst in der letzten Verhandlungsnacht auf den Tisch kommen, wird der schwedische Regierungschef Göran Persson eher gegen als hinter Tony Blair stehen. Etwa wenn die großen Länder den Einfluß der kleinen in der EU-Kommission und im Ministerrat eindämmen wollen. Großbritannien ist ein großes Land und findet den Vorstoß richtig. Blair teilt die Bedenken aus Paris und Madrid, daß nach der Aufnahme weiterer Mitglieder die EU von einem Dutzend kleiner Staaten dirigiert wird, die zusammen gerade einmal ein Drittel der EU-Bevölkerung stellen.

„Schon im Ansatz inakzeptabel“ findet Gunnar Lund die geplante Neuverteilung der Stimmrechte, die den großen Ländern mehr Gewicht geben soll. Dahinter steht auch die schwedische Angst, von Großmachtinteressen untergebügelt zu werden. Jede Änderung der Machtbalance stößt auf erbitterten schwedischen Widerstand. Auch Versuche, die EU- Kommission – die die Aufgaben einer europäischen Regierung erfüllt – zu verkleinern, will Schweden nicht hinnehmen. „Jedes Land muß mindestens ein Mitglied mit vollem Stimmrecht in der Kommission haben“, beharrt Gunnar Lund.

Aus schwedischer Sicht muß die EU auf „eine Zusammenarbeit zwischen Staaten“ begrenzt werden. Wenn es Länder gebe, so Lund, die auf einen Bundesstaat hinarbeiteten, werde Schweden auf keinen Fall dazugehören. Reinhard Wolff, Stockholm