Monsieur Economie

Frankreichs neuer Wirtschaftsminister Dominique Strauss-Kahn ist, was den Euro betrifft, ein Pragmatiker  ■ Aus Paris Dorothea Hahn

Das Gewinnerlächeln des „Monsieur Economie“ war schon im Wahlkampf auf allen Bildschirmen. In jenem erst drei Wochen zurückliegenden „Damals“ verteidigte der sozialistische Kandidat aus dem Wahlkreis Val d'Oise bei Paris vehement die geplante Staatsintervention zu Schaffung von 700.000 Jobs für Jugendliche und eine stärkere soziale Komponente auf dem Weg zum Euro. Dabei vermittelte der bullige Dominique Strauss-Kahn den Eindruck, er sei sich seines Sieges bereits sicher – ganz egal, mit wem er diskutierte.

Seither ist „DSK“ oder „Strauss“, wie ihn seine Kollegen nennen, zum „Monsieur Economie“ von ganz Frankreich avanciert. Nachdem er jahrelang die Wirtschaftspolitik der PS bestimmt hat, ist er jetzt Minister für Wirtschaft, Finanzen und Industrie. Da verfügt der 48jährige über so weitgehende Kompetenzen, wie vor ihm nur ein anderer französischer Wirtschaftsminister: der Sozialist Pierre Bérégovoy. Gegen den hatte Strauss-Kahn in den achtziger Jahren solange opponiert, bis er selber ein erstes Ministerium bekam – woraufhin er Regierungsdisziplin übte und öffentlich schwieg. Durchsetzungsvermögen, Verhandlungsgeschick und Charme zählen zu den herausragenden Eigenschaften von Strauss-Kahn. Der Wirtschaftswissenschaftler, der außerdem noch Abschlüsse in Politologie und Jura hat und ausgezeichnet Deutsch und Englisch spricht, bewies sie auf allen Stationen seines beruflichen Werdegangs: als Mitarbeiter des Nationalen Statistikinstitutes, als Mitglied des nationalen Büros der PS, als Professor an der Universität Paris X, als Industrie- und Außenhandelsminister von 1991 bis 1993 und als Vizepräsident der Industriellenlobby Cercle de l'Industrie.

Strauss-Kahn kann mit allen reden und ist kompromißfähig. Ein linker Ideologe ist er nicht. Schon gar kein Antieuropäer, wie ihn verschreckte Wirtschaftsliberale nach seinem ersten EU-Auftritt beim Finanzministerrat in Luxemburg beschrieben haben. Strauss-Kahn hatte dort eine „Bedenkzeit“ für die neue französische Regierung und zusätzlich zum Stabilitätspakt Beschäftigungsgarantien verlangt, zugleich aber seine grundsätzliche Zustimmung zu Währungsunion und Stabilitätspakt bekräftigt. Damit war er sich treu geblieben. Schon in den achtziger Jahren hatte Straus-Kahn auf einen starken Franc gesetzt. 1991 schlug er sogar allen Ernstes eine „Golfsteuer“ vor, um den französischen Haushalt nicht mit dem Krieg gegen den Irak zu belasten. Im Kabinett konnte er sich damit aber nicht durchsetzen.

Wirtschaftspolitik à la Strauss- Kahn ist pragmatisch. In Europa will er die gemeinsame Währung samt aller darin vorgesehenen Sanktionen bei Überschreitung der Defizitkriterien. Aber er stellt zugleich die Bedingung, daß dadurch der politische Handlungsspielraum nicht eingeschränkt wird und daß der Euro „nicht dazu zwingt, die soziale Ausgrenzung zu akzeptieren“.

In Frankreich will er einerseits 350.000 Jobs im öffentlichen Dienst plus ebenso viele mit staatlicher Unterstützung in der Privatwirtschaft schaffen, die Vermögenssteuer erhöhen und die Löhne anheben. Andererseits warnt er seine kommunistischen Koalitionspartner vor übertriebenen Forderungen nach höherem Mindestlohn und pocht zum Leidwesen von PS-Linken und Gewerkschaftern auf die Privatisierung der France Télécom. Die sei nicht nur „unvermeidlich“, sondern „dringend“.

„Deutschland muß keine Angst haben“, versicherte Strauss-Kahn, im Vergleich zu seinem konservativen Vorgänger werde es viel Kontinuität geben. Wie seine Vorgänger ist Strauss-Kahn ein Kenner der Märkte und des internationalen Handels, vor allem aber ein Vertreter französischer Interessen. Als früherer Minister rechtfertigte er in China die französischen Waffenverkäufe nach Taiwan. In Schweden fädelte er die – letztlich gescheiterte – Fusion zwischen Renault und Volvo ein. In Deutschland kritisierte er die „unvernünftig hohen“ Werftensubventionen und war andererseits enttäuscht über die Bonner Zurückhaltung bei den Verhandlungen mit der japanischen Autoindustrie. Mehrfach verteidigte Strauss-Kahn Schutzmaßnahmen für den gemeinsamen europäischen Markt: Er setzte sich für Sonderhilfen für die damals von finnischer Konkurrenz bedrohte gemeinschaftliche Holz- und Elektronikindustrie ein und arbeitete – bislang vergeblich – an einer Vereinheitlichung der Steuergesetzgebungen, um die Kapitalflucht zu bremsen.

Luxemburg und die folgenden intensiven europäischen Verhandlungen über eine Erweiterung des Stabilitätspaktes haben auf der internationalen Ebene gezeigt, wozu Strauss-Kahn fähig ist. Auch auf der privaten Bühne hat seine Ernennung zum Minister schon sichtbare Veränderungen gebracht. Seine gegenwärtige Ehefrau, die bekannte französische Journalistin Anne Sinclair, kündigte an, daß sie ihre sonntagabendliche Politikerdiskussion „7/7“ nach der Sommerpause wegen Regierungsnähe nicht fortsetzen werde.