Intrigen gegen Wolfgang Clement?

■ Die SPD-Spitze in NRW dementiert das Gerücht, ihren Wirtschaftsminister von der Rau-Nachfolge fernzuhalten

Düsseldorf (taz) – Das Dementi aus dem Düsseldorfer Kultusministerium klang glasklar: „Das Treffen“, so die stellvertretende SPD- Landesvorsitzende und Schulministerin Gabriele Behler, „hat es nicht gegeben.“ Damit reagierte die Ministerin gestern auf Berichte in Focus und Spiegel, in denen von geheimen Zusammenkünften führender Düsseldorfer Sozis die Rede war, die allein dem Zweck gedient haben sollen, SPD-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement als Rau-Nachfolger zu verhindern. Auch die anderen als Mitglieder der Anti-Clement-Garde geouteten Spitzensozis, Bundesgeschäftsführer Franz Müntefering, Arbeitsminister Axel Horstmann und Finanzminister Heinz Schleußer, widersprachen lautstark.

Für die nordrhein-westfälische SPD ist der Vorgang von höchster Brisanz. Tatsächlich gibt es in der Spitze der Landespartei trotz aller Dementis gewichtige Kräfte, die Clement mit aller Macht verhindern wollen. Ihnen gilt der knochenharte Wirtschaftsminister als wenig geeignet, die fragile Koalition mit den Bündnisgrünen in Düsseldorf über die Bundestagswahlen im nächsten Jahr zu schaukeln. Deshalb sind sie bemüht, Ministerpräsident Johannes Rau möglichst lange im Amt zu halten.

Viele Überredungskünste sind dafür nicht erforderlich, denn der seit zwanzig Jahren die SPD in NRW führende Regierungschef vermittelt zusehends den Eindruck, daß er nicht daran denkt abzutreten. Letztlich, so erklären sich Freunde Raus dessen Amtstreue, habe der Predigersohn und Politiker aus Leidenschaft „Angst vor dem großen schwarzen Loch nach einem Rücktritt“.

Tatsächlich dürfte Rau den Job wohl nur dann freiwillig räumen, wenn für ihn das Amt des Bundespräsidenten folgte, für das er schon einmal erfolglos kandidiert hat. Vor 1999 steht diese Entscheidung jedoch nicht an. Und so lange will der schon als „ewiger Kronprinz“ verspottete Clement, nicht warten. Daß Rau selbst ihn über seinen Abtrittstermin im unklaren läßt, nervt Clement trotz aller Loyalitätsbekundungen zusehends.

Ein Indiz sind seine Bemerkungen, „nicht beliebig verfügbar“ zu sein. Ganz gezielt ließ er mehrere Journalisten wissen, er könne sich auch eine Tätigkeit in der „Medienbranche“ vorstellen. Zum Spielball parteiinterner Intrigen will er sich auf keinen Fall machen lassen. Manche seiner Freunde in der nordrhein-westfälischen SPD fürchten, daß Raus Hinhaltetaktik Clement zum Ausstieg aus der Politik bewegen könnte. Schon als Bonner SPD-Parteisprecher hatte Clement die Brocken völlig überraschend hingeschmissen. Aus Ärger über Willy Brandt, der nach Clements Einschätzung seinerzeit durch zweideutige Formulierungen dem damaligen Kanzlerkandidaten Johannes Rau das Leben als Kandidat schwermachte. Ausgeschlossen ist deshalb ein plötzlicher Wechsel in die Wirtschaft nicht, auch wenn Wolfgang Clement versichert, er sei diesmal entschlossen, für seine Position zu „kämpfen“.

Die Frage ist bloß, wie lange noch. Letztlich liegt die Entscheidung bei Johannes Rau, der schon angekündigt hat, beim Bundesparteitag im Dezember erneut für das Amt des Stellvertretenden Parteivorsitzenden kandidieren zu wollen. Gut einen Monat später steht beim Landesparteitag in Dortmund die Entscheidung für den Landesvorsitz in NRW an. Sollte Rau auch hier die Wiederwahl anstreben, wäre das ein deutliches Signal gegen eine baldige Amtsübergabe an den derzeitigen Wirtschaftsminister.

Persönlich, so sagt es einer aus dessen Umgebung, würde Clement einen solchen Coup als „Affront“ auffassen. Was daraus folgt, ist allerdings offen. Gestern sprang dem bedrängten Wirtschaftsminister demonstrativ der Düsseldorfer SPD-Fraktionschef Klaus Matthiesen bei: „Die inhaltliche Politik Wolfgang Clements ist die Politik der Landtagsfraktion.“ Schon allein die Tatsache, daß Matthiesen eine solche Versicherung für nötig erachtete, ist eine kleine Sensation. Auf jeden Fall offenbart die Erklärung den Grad der Verunsicherung, der in den Reihen der Sozis in Nordrhein- Westfalen herrscht. Walter Jakobs