IRA erschießt zwei nordirische Polizisten

■ Nach Doppelmord bricht die britische Regierung alle Kontakte zur Sinn Féin ab. Vor Beginn der protestantischen Märsche ist die Aussicht auf Frieden gesunken

Dublin (taz) – Die Irisch-Republikanische Armee (IRA) hat gestern mittag im nordirischen Lurgan zwei Polizisten erschossen. Die Beamten waren ganz in der Nähe ihres Polizeireviers auf Streife, als sie aus nächster Nähe von sieben Kugeln getroffen wurden. Ein Anrufer meldete sich später beim unabhängigen Belfaster Radio Downtown und erklärte, die Nord- Armagh-Brigade der IRA habe das Attentat verübt. Dabei benutzte er das der Polizei bekannte IRA-Codewort.

Unmittelbar nach dem Attentat hat die britische Regierung alle Kontakte mit der IRA-Partei Sinn Féin abgebrochen. Das Nordirland-Ministerium in London erklärte, eine weitere Begegnung mit der Sinn Féin komme nicht in Frage.

Nordirland wartet nun gespannt auf die Reaktion der probritischen Loyalisten. Da die nordirische Polizei ganz überwiegend protestantisch ist, wird ein Mord an einem Beamten von den Loyalisten nicht als Angriff auf die Staatsmacht, sondern auf ihren Bevölkerungsteil interpretiert.

Auf loyalistischer Seite hatte sich im vorigen Jahr eine Fraktion abgespalten und wieder zu den Waffen gegriffen. Gary McMichael vom politischen Flügel der Waffenstillstandsfraktion sagte gestern, man dürfe keineswegs auf diesen Versuch der IRA reagieren, einen Bürgerkrieg anzuzetteln. Unionistenchef David Trimble forderte eine unbarmherzige Jagd nach den Tätern. Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams sagte, was er in solchen Fällen stets zu sagen pflegt: „Wir müssen unsere Anstrengungen für den Frieden in Nordirland nun verdoppeln. Die Erschießungen sind eine Herausforderung für alle, die eine produktive Rolle in diesem Friedensprozeß spielen wollen.“ Von diesem Friedensprozeß ist allerdings kaum noch etwas übrig. Vorige Woche hatte die britische Nordirlandministerin Mo Mowlam noch angekündigt, daß Sinn Féin bereits im September am Runden Tisch sitzen könne, wenn die IRA spätestens Anfang August die Waffen niederlege.

Die nordirischen Flitterwochen waren kurz für Premier Tony Blair. Niemand hatte so früh nach den Wahlen mit einem IRA-Mordanschlag gerechnet. Auch linke Organisationen und selbst Sinn-Féin- Mitglieder verstehen die Taktik der IRA nicht, da man mit einer Waffenruhe gerechnet hatte, um Blairs Nordirlandpolitik zumindest zu testen. Hinzu kommt, daß Nordirland zur Zeit ohnehin ein Pulverfaß ist: Am 6. Juli will der protestantische Oranier-Orden im Rahmen seiner alljährlichen Paraden durch ein katholisches Wohnviertel in Portadown, einer Nachbarstadt von Lurgan, marschieren. In den vergangenen beiden Jahren hatte das zu Straßenschlachten und einem Verkehrschaos in ganz Nordirland geführt. Ralf Sotscheck