Mediale Inszenierung

Das Dussmann-Kulturkaufhaus stellt Konzept vor. Kulturelles Spaßbad nebst Büchern und noch mehr Büchern, CDs und noch mehr...  ■ Von Rolf Lautenschläger

„Alles, was Fnac falsch gemacht hat, will Dussmann richtig machen.“ Hartwig Schulte-Loh, Leiter des neuen Dussmann-Kulturkaufhauses am Bahnhof Friedrichstraße, muß jedoch nicht viel ändern. Denn daß der Kulturwarentempel Fnac Pleite gemacht haben soll, ist nur ein Märchen. Auf 40 Millionen Mark Umsatz hatten es die französischen Buch- und Musikverkäufer nahe des Kurfürstendamms gebracht. Weil die deutschen Filialisten aber bei Gewinnen des Unternehmens eine Ausstiegsklausel vereinbart hatten, zockten sie die Prämie ab und machten dicht. Nicht mehr und nicht weniger.

Fnac, so Schulte-Loh gestern bei der Vorstellung des Konzepts für den Multimediensupermarkt Dussmann, der im Herbst eröffen wird, „ist und bleibt der Vater des Kulturkaufhauses“, an dem man sich orientieren werde. Ebenso wie die Franzosen lockt Dussmann mit einem riesigen Bücher-, CD-, Video- und Computersortiment. Wie Fnac wird es Lesungen geben. Und selbst Schinkels berühmtes Bühnenbild für Mozarts Zauberflöte – einen tiefblauen Sternenhimmel – zitiert Dussmann als Hintergrund des kleinen Konzertsaals.

Doch jenseits der Gemeinsamkeiten werden die Unterschiede um so deutlicher. Dussmann setzt auf den Hedonismus der begüterten Schichten ebenso wie auf das kulturelle Spaßbad-Verhalten von Rundumberlinern und Touristen. „Erlebnisorientierten Charme“ beim Einkaufen nennt dies Pressechef Hans Schulz. Das wüßten die Käufer zu schätzen.

Atmosphäre ist eben alles, darum präsentiert sich die Dussmann-Kulturwelt auf 4.700 Quadratmetern als ein Kaufhaus, das die unterschiedlichen Medien inszeniert. Man wolle in fünf Abteilungen eine multimediale Erlebniswelt schaffen, betonte Schulte- Loh, die Medium und Gattung zusammenführt. Die Klassikabteilung (30.000 Titel) werde sich im Stil eines Opernhauses zeigen. Die Einrichtung der Videoabteilung (4.200 Titel) widerspiegelt die Atmosphäre der 60er Jahre.

Das Pop- und Jazzgeschoß (30.000 Titel) lockt mit Rock. Für die Computerfreaks steht ein 500 Quadratmeter großes „Innovationcenter“ nebst Internet-Terminals zur Verfügung. Und für die Kids baut Dussmann eine „Wunderwelt“ (Schulz) im ersten Obergeschoß auf: Während die Alten ungestört in vier Etagen nach CDs, Büchern (120.000 Titel) und Software stöbern, dürfen die Kleinen im ICE-Cockpit-Simulator Lokomotivführer spielen.

Für die Sinne bestimmt sind auch die Galerie, die Presseabteilung mit den „aktuellen Rezensionen“ und das Restaurant „Columbus Internet Bar“. Daß Rauchen en vogue ist – man denke an Austers „Blue in the face“ –, weiß auch Dussmann. Schulte-Loh: „Im Erdgeschoß entsteht ein edler Zigarrenshop mit erlesenen Marken im 18 bis 22 Grad temperierten Humidor.“

Wer dem multimedialen Kaufrausch sein ganzes Geld geopfert hat, braucht deshalb noch nicht nach Hause gehen; vorausgesetzt er ist Ossi. Im „Ostalgie-Shop“ plant Dussmann den ideologischen Rebound. Mit Mark der DDR, Ostpaß oder Ausreisestempel, so eine „witzige Idee“, kann man dort HO-mäßig „Mielkes Pantoffeln oder Honneckers Wärmflasche“ erwerben. „Ham wa nicht“, sagt dort niemand.