American Pie
: Rangers und Giants

■ Revolution im Baseball: Die Ligen wenden sich von alten Traditionen ab

'Cause I saw you dancin' in the gym

Hierzulande weitgehend unbemerkt, fand in Nordamerika vergangene Woche eine Revolution statt. Am Donnerstag um 19.11 Uhr warf Darren Oliver von den Texas Rangers einen Baseball auf Darryl Hamilton von den San Francisco Giants. Nichts Ungewöhnliches während einer Baseball-Saison, sollte man meinen, doch weit gefehlt. Es handelte sich um nichts Geringeres als den Bruch mit einer 126 Jahre alten Tradition: das erste Match eines Teams der American League (AL) gegen eine Mannschaft der National League (NL), das nicht im Rahmen des Finales, der World Series, stattfand.

Keine Sportart, außer vielleicht Sumo, hält mehr auf Tradition, und so war bisher jeder Anschlag auf eine der heiligsten Kühe des Baseball, die strikte Trennung der beiden Ligen, abgewehrt worden.

Den „Mythos der World Series“ gelte es aufrechtzuerhalten, meinten die Puristen, profanisiert und entweiht würde dieser Höhepunkt des Jahres, wenn die beiden Finalteams schon in ein paar ganz normalen Saisonspielen aufeinanderträfen.

Doch der Popularitätsverlust des Baseball nach dem Streik vor drei Jahren, vor allem gegenüber dem Basketball, brachte Bewegung in die starre Struktur. Alles Unsinn, sagten die Neuerer. Schadete es etwa dem NBA-Finale, wenn Chicago und Utah schon während der Saison ein paar Mal gegeneinander gespielt hätten? Sei es nicht vielmehr erheblich attraktiver, einen Gary Payton auch in einem normalen Punktspiel gegen Michael Jordan verteidigen zu sehen? Welch untragbarer Zustand, daß die beiden größten Baseball-Spieler der Gegenwart, Pitcher Greg Maddux und Batter Ken Griffey jr. sich noch niemals außerhalb des All-Star- Matches gegenüber gestanden hätten.

Dies allerdings wird auch in dieser Saison nicht passieren, denn die Major Leagues haben für ihre zweijährige Erprobungszeit der „Interleague Games“ zunächst nur 214 solcher Spiele festgelegt, und die Begegnung von Maddux' Atlanta Braves und Griffeys Seattle Mariners ist nicht dabei. Im nächsten Jahr soll es dafür bereits jeden Tag ein Interleague- Match geben, was den meisten Kommentatoren nicht genug ist. Sie fordern, daß jedes Team der NL mindestens einmal gegen jedes der AL spielen müsse.

„Hoffentlich geht es weiter“, meint auch Baseball-Legende Willie Mays, der ebenso wie Mitlegende Nolan Ryan einen zeremoniellen Ballwurf zum festlich begangenen Start des Experiments im texanischen Arlington beisteuerte. Das 14jährige Country-Wunderkind LeAnn Rimes sang die Nationalhymne, und natürlich gab es jede Menge Kappen, T-Shirts und Bälle mit dem Aufdruck „First Interleague Game“. Der Ball des ersten Pitches und eine von den Spielern beider Teams signierte Base gingen schnurstracks an die Hall of Fame in Cooperstown.

Der Ort für das historische Ereignis war indes ein wenig schlampig ausgewählt, wie den Planern allerdings erst später aufging. „Es ist viel, viel, viel größer als erwartet“, meinte Texas Rangers-Manager Johnny Oates. Noch viel größer wäre die Sache gewesen, wenn man sie mit einer spektakuläreren Begegnung begonnen hätte. Dem heutigen Aufeinandertreffen der New York Yankees und New York Mets im Yankee-Stadium in der Bronx etwa, dem Match zwischen den Chicago Cubs und den Chicago White Sox, die zuletzt in der World Series 1906 gegeneinander spielten, oder der für Anfang Juli angesetzten Revanche für die vom großen Erdbeben erschütterte World Series 1989 zwischen San Francisco Giants und Oakland A's. Gar nicht zu reden vom Match zwischen World-Series- Sieger New York Yankees gegen Finalgegner Atlanta Braves.

Die NBA hätte sich eine derartige Chance zum Geldscheffeln garantiert nicht entgehen lassen. Doch die Major Leagues holen auf. „Ich bin überzeugt, daß dies gegen die Tradition geht“, sagte Nolan Ryan in Arlington, „aber auch dem Baseball geht langsam auf, daß sich der Sport in einer Periode des Wandels befindet.“ Matti