Immerhin ist Arbeitslosigkeit Thema

■ Seit Premier Jospin den Stabilitätspakt unterzeichnet hat, ist in Frankreich die Stimmung der Koalitionspartner gedrückt

Am Ende der ersten deutsch- französischen Kraftprobe seit dem Amtsantritt der linken Regierung rätselten gestern die Franzosen darüber, was in den drei Tagen Streit mit den deutschen Freunden herausgekommen ist. „Ein bißchen Soziales“, titelte der konservative Figaro. „Der Schock des Stabilitätspaktes und das Gewicht der Beschäftigungspolitik“, schrieb die kommunistische Humanité in einem Versuch, ausgewogen zu sein, wie es sich für ein Parteiblatt geziemt, das immerhin drei eigene Vertreter in der Regierung hat. Der in Amsterdam getane Waigel-Satz: „Ich habe in nichts, gar nichts, rein gar nichts nachgegeben“, geisterte durch zahlreiche Medien.

Von dem Sozialisten Lionel Jospin über den Kommunisten Robert Hue bis zum Chef der Bürgerbewegung, Jean- Pierre Chevènement, und der Grünenchefin Dominique Voynet hatten im Wahlkampf alle jetzigen Regierungsparteien den Stabilitätspakt kritisiert.

Besonders deutlich war Jospin, der über das „Super-Maastricht“ und die „absurde Konzession an die Deutschen“ schimpfte. Kommunisten und Bürgerbewegung sprachen aus Rücksicht auf ihren Seniorpartner PS zwar nicht mehr von ihrem Euro-Referendum, äußerten sich aber dennoch klar gegen das Diktat der Konvergenzkriterien.

Seit Jospin nun den Stabilitätspakt unterzeichnet und zusätzlich ein Beschäftigungskapitel erwirkt hat, ist die Stimmung der Koalitionspartner gedrückt. Die Grünen sorgten sich gestern, daß die Entscheidung von Amsterdam „nicht den Erwartungen“ entspreche. Bei den Kommunisten erklärte Nationalbüromitglied Francis Wurtz, „der Stabilitätspakt ist unheilvoll, weil er zu Austeritätspolitik und Arbeitslosigkeit zwingt, um die Erwartungen der Finanzmärkte zu befriedigen“.

Zufrieden äußerten sich gestern die Sozialisten. Europaminister Pierre Moscovici, der Mitte vergangener Woche noch öffentlich vermutet hatte, die Unterzeichnung des Stabilitätspaktes würde in Amsterdam nicht zustandekommen, weil seine Regierung eine Bedenkzeit brauche, sprach gestern von einem „wichtigen ersten Schritt“. Und Jospin-Sprecher Manuel Valls redete von einem „guten Abkommen“.

Der Historiker und Deutschlandexperte Alfred Grosser sieht den Wert der Stabilitätspakt- und Beschäftigungskapiteleinigung in Amsterdam vor allem im psychologischen Bereich. „Millionen Menschen glauben wegen der Arbeitslosigkeit nicht an Europa“, gibt er zu bedenken. Da sei es schon wichtig, daß nun in Europa endlich über die Arbeitslosigkeit gesprochen werde.

Die Aufregung über den Stabilitätspakt entkräftet Grosser mit dem Hinweis, daß er erst im Jahr 2001 in Kraft trete und daß niemand wisse, „was passiert, wenn die politische und soziale Lage in vier Jahren so schlecht sein sollte, daß höhere Haushaltsdefizite einfach unumgänglich sind“.

Auf die Frage: „Wer hat gewonnen“, die sich seit dem vertrackten 69. deutsch-französischen Gipfel vom vergangenen Freitag im westfranzösischen Poitiers stellt, gibt es in Paris keine eindeutige Antwort. Während die einen seit Poitiers den „Widerstand Kohls gegen Jospin“ hervorheben, loben die anderen die französische Opposition gegen Kohl.

Daß letzterer trotz seiner innenpolitischen Krise und der außenpolitischen Isolierung zwischen lauter europäischen Sozialdemokraten seinen Stabilitätspakt unverändert durchpauken konnte, nötigt Freund und Gegner in Paris einen gewissen Respekt ab. Dorothea Hahn, Paris