Jugendliche gehen die Wände hoch

■ Köpenicker Jugendliche halten Freizeitclub Allende aus Protest gegen geplanten Abriß besetzt. Von den Politikern fühlen sie sich verschaukelt. CDU-Baustadtrat unterschrieb Abrißgenehmigung

Köpenicker Jugendliche fühlen sich von ihren Bezirkspolitikern so verschaukelt, daß sie im wahrsten Sinne des Wortes die Wände hochgehen. Rund 70 junge Männer und Frauen haben seit drei Tagen die Räume und das Dach des Jugendclubs Allende in der Pablo-Neruda-Straße besetzt. Der Grund des Protests: Der weit über Köpenick hinaus bekannte Jugendclub soll Ende Juni geschlossen werden. Die bei Hunderten von Jugendlichen beliebte Einrichtung profilierte sich mit HipHop-Konzerten, Streetball-Turnieren und Graffiti- Events.

Die Jugendlichen fühlen sich vom Bezirksamt verschaukelt. Den Betreibern des 1976 im Köpenicker Allende-Viertel gebauten Jugendclubs flatterte am Montag die Kündigung zum Monatsende ins Haus. Stichtag ist der 30. Juni. Die Konsum-Immobilien-GmbH will den Dienstleistungswürfel abreißen und an der Stelle ein Stadtteilzentrum errichten. Während der Investor der Post sowie dem Blumenladen und Friseur, die ebenfalls vom Abriß betroffen sind, für die Zeit der Bauarbeiten einen Container aufstellt, sollen die Jugendlichen leer ausgehen. Dabei war ihnen vom Bezirksamt versichert worden, den Abriß erst zu genehmigen, wenn ein neuer Club bereitsteht. Die Zusage hat Baustadtrat Werner Gehrmann (CDU) nun gebrochen und die Abrißgenehmigung unterschrieben. Der 20jährige Besetzer Jens Werner wirft dem Baustadtrat vor, nur die Interessen des Investors zu vertreten.

Der Senat hatte 1996 beschlossen, daß Käufer von Dienstleistungswürfeln – sie beherbergen Jugendclubs in Plattenbaugebieten – bei Abriß das Geld für einen Ersatzclub bereitstellen müssen. Aber, so der Baustadtrat, nur den Verkehrswert – und das reicht nicht für einen neuen Club. „Wegen der Finanzierungsschwierigkeiten verzögert sich das Neubauprojekt“, so Gehrmann zur taz. Dennoch will er das Geld zusammenkratzen und bald mit dem Neubau beginnen. Doch dieser Zusage trauen die Clubbesetzer nicht. Herr Gehrmann habe schon einmal sein Wort gebrochen.

Auch das Provisorium, das die Club-Betreiber nach Zusagen Gehrmanns ab August nutzen dürfen, ist für die Jugendlichen eher ein Flop. Jens Werner: „Die ehemalige Poliklinik ist baufällig und kann nicht in wenigen Wochen bezogen werden.“

Die 70 Besetzer wollen nicht lockerlassen, bis ihnen das Bezirksamt die schriftliche Zusage für Neubau und Provisorium gegeben hat. Köpenicks Jugendstadtrat Ernst Welters (PDS) hält die Aktion zwar für „sachlich unnötig“. Er kann jedoch den Vertrauensverlust der Besetzer angesichts des Wortbruchs seines CDU-Kollegen verstehen.

Nach Redaktionsschluß stieg gestern ein Abschiedskonzert. Auf der Fete sollte geklärt werden, ob und wie die Protestaktion weitergeht. Damit der Club nicht vor der Zeit unbenutzbar wird, erging an die Gäste der Appell, von Zerstörungen Abstand zu nehmen. Marina Mai