Kein Kino soll leiden

■ ...verspricht Herr Flebbe / Solange seins das einzige Großkino bleibt

Hat schon mal jemand darüber nachgedacht, daß zartfühlende Menschen über 1,90 Meter im Kino nicht triumphieren, sondern leiden, wenn sie an all die Kleinen hinter ihnen denken? Die Langen dürfen frohlocken: Ab Mai 1998 gibt es in Bremen Kinosäle, in denen man sogar den Hut aufbehalten kann. Die Beine ausstrecken. Komfortabel kübeln in feudalen Foyers. Und nebenbei kann der, den's drängt, sich tote Reptilien, Schmetterlinge und Schädel aus längst vergangenen Tagen ansehen. Genauer: Gestern war Grundsteinlegung des Neubaus Cinemaxx/Übermaxx am Bremer Hauptbahnhof, der welt- und wahrscheinlich sogar univer-sumweit erste Kombikomplex aus Großkino und begehbarem Völkerkundemuseumsmagazin (hier denke man sich einen Tusch hin).

Der Keller ist schon zu sehen. Derzeit haben die Eisenbieger das Sagen. Beängstigend dünne Betonwände recken sich schüchtern in den Himmel. Der ist so königsblau wie das Jackett von Frau König, der Chefin des Überseemuseums, die sich auf ihr neues Magazin freut. Frau König spendet für den Grundstein – ganz magisches Beschwörungsritual – eine Kleidermotte, einen Wollkrautblütenkäfer, einen Kaprakäfer und einen Brotkäfer. Alle sind in Plexiglas gegossen und sollen Schädlinge abwehren. Wir erinnern uns: Das alte Magazin am selben Orte mußte abgerissen werden, weil es mit Schädlingsgiften durchtränkt war.

Kultursenatorin Kahrs (dunkler, sehr schicker Hosenanzug) verweist weltläufig auf die public-private partnership. Public Partner sind der Senator für Wirtschaft, der für Finanzen (hier erhebt sich ihre Stimme leicht) sowie sie selbst. „Privat“ist Herr Flebbe, der jugendlich wirkende Großkinomogul (dunkelblauer, leicht ins Lila lappender, angeknautschter Leinenanzug).

Herr Flebbe verspricht, daß in Bremen kein Konkurrenzkino werde leiden müssen, wenn alle die, die sonst TV gucken, ins Cinemaxx gehen. Und wenn in Bremen „die Verantwortlichen mit Genehmigungen weiterer Großkinos restriktiv“umgingen. Herr Flebbe versenkt in den Grundstein seines Maxx eine Filmdose voller Freikarten, was eine gute Idee ist, solange man nicht näher drüber nachdenkt.

Während der Grundstein von Frau Kahrs festgeklopft wird, bemerken auch Wohlmeinende, daß das kleine Mäuerchen auf eine provisorische Holzplatte gesetzt und also der Grundstein nur ein fiktiver ist. Jeder, der sich mit magischen Beschwörungsritualen auskennt, macht sich jetzt natürlich Sorgen. Das geringste Unglück wäre ja noch, daß die Brotkäfer wiederkämen.

Das wahrscheinlichste Unglück wäre dagegen – bewahre! – eine Finanzierungslücke. BuS