Sammeln, spalten

■ Mühseliger Arbeitsalltag: Eine Ausstellung über den Exilverlag Querido und seinen Verleger Fritz H. Landshoff

„Gelebt“ hat Fritz H. Landshoff eigentlich nur 17 Jahre. Dabei wurde er immerhin 86 Jahre alt. Gelebt hat er, wie er selbst sagt, nur in den Jahren, als er verantwortlicher Leiter der deutschen Abteilung des Querido-Verlages war, eines der bedeutendsten Exilverlage zur Zeit der Nazidiktatur. Die anderen Lebensjahre fallen in seiner Autobiographie, die er kurz vor seinem Tod 1988 abschloß, fast völlig unter den Tisch. Und auch die Ausstellung im Berliner Literaturhaus trägt den Titel „Fritz H. Landshoff und der Querido-Verlag 1933–1950“.

Im April 1933 erhielt Landshoff, damals geschäftsführender Direktor des Kiepenheuer-Verlages, einen Brief des holländischen Verlegers Emanuel Querido, der ihn fragte, ob er „mit ihm eine deutschsprachige Abteilung für in Deutschland verbotene oder unerwünschte Autoren“ gründen wolle, „die dem Amsterdamer Verlag angegliedert werden sollte“. Noch am selben Abend fuhr Landshoff mit dem Nachtzug von Berlin nach Amsterdam. Nach zweistündigem Gespräch waren sich die beiden über ihr gemeinsames Projekt einig.

Schon im Herbst 1933 erschienen die ersten „Exilbände“ des Querido-Verlages: Bücher von Alfred Döblin, Lion Feuchtwanger, Heinrich Mann, Ernst Toller, Arnold Zweig und Joseph Roth; außerdem das erste Heft der „Sammlung“, einer Monatsschrift, die von Klaus Mann mit dem Ziel herausgegeben wurde, die literarischen Stimmen des Exils zu bündeln. Doch schon die erste Nummer bewirkte genau das Gegenteil. Sie spaltete die Exilanten noch bevor es zu einer wirklichen „Sammlung“ gekommen war.

Viele Schriftsteller, auch solche, die zu jener Zeit noch in Deutschland veröffentlichen durften, hatten sich auf eine vorab veröffentlichte Liste zukünftiger Mitarbeiter der „Sammlung“ setzen lassen, dabei angeblich auf ein Wort Klaus Manns vertrauend, die Zeitschrift werde „ganz unpolitisch“ sein und habe lediglich „literarischen Charakter“. Doch die erste Nummer eröffnete mit einem kämpferischen Aufsatz Heinrich Manns, der die Reichsschrifttumskammer veranlaßte alle potentiellen Mitarbeiter der „Sammlung“ mit Verbot ihrer Bücher zu bedrohen. Auf Druck ihrer reichsdeutschen Verleger (vor allem Gottfried Bermann Fischer spielte in dieser ersten Zeit der Naziherrschaft eine unrühmliche, ewig taktierende Rolle) distanzierten sich die um den deutschen Markt fürchtenden Schriftsteller (darunter Alfred Döblin, René Schickele und Thomas Mann) von der „Sammlung“, von deren politischem Charakter sie „überrascht“ worden seien.

Damit war ein erster Keil in die Gruppe der Exilanten getrieben, die nie zu einer homogenen Gruppe wurden. Wie auch. Allzu groß waren die literarischen und politischen Unterschiede, als daß es zu einem gemeinsamen Auftreten gegen die deutschen Machthaber hätte kommen können. Klaus Mann rieb sich bei seinem trotzdem unternommenen Versuch auf, obwohl Landshoff ihn in seinem aufopfernden Bemühen kräftig unterstützte. Doch es half nichts. Nach zwei Jahren und immer weiter sinkender Auflage wurde die Zeitschrift eingestellt. Sie sollte das Bestehen des Buchverlages nicht gefährden.

Denn auch der hatte zu kämpfen. Verlegen im Exil, auch das macht die Ausstellung deutlich, bringt unendlich viele Alltagsschwierigkeiten mit sich: Setzer, die des Deutschen kaum mächtig sind, ein teures, unglaublich mühsam zu errichtendes Vertriebssystem in fernste Länder auf Postwegen und nicht zuletzt sehr geringe Auflagen wegen der winzig kleinen Leserschaft. Der Anschluß Österreichs und damit der Verlust des nach Holland zweitgrößten Absatzmarktes war da ein Schlag, der kaum noch abgefangen werden konnte. Und nach dem Einmarsch deutscher Truppen in Holland im Mai 1940, war es um den deutschen Exilverlag praktisch geschehen.

Landshoff, der sich zur Zeit des deutschen Überfalls in England aufhielt und dort für mehrere Monate als „enemy alien“ inhaftiert wurde, unternahm später noch Versuche, zusammen mit Bermann Fischer einen deutschen Exilverlag in den USA aufzubauen und sich nach Kriegsende als Verleger auf dem deutschen Buchmarkt zu etablieren. Doch seine große Zeit als Verleger war vorbei. Der Mann, der einen großen Teil der deutschen Literatur über die Zeit der Hitlerdiktatur hinweggerettet hatte, fand nur eine Anstellung bei einem amerikanischen Kunstbuchverlag. Volker Weidermann

Bis 20. Juli, Literaturhaus Fasanenstraße 23. Katalog (285 S., 18 DM) mit Querido-Bibliographie