Durchs Dröhnland
: Hier Potsdam, nicht Berlin

■ Die besten und schlechtesten Konzerte der Woche

Das Gelbe vom Ei sind an der Uni stattfindende Studentenparties bekanntermaßen nicht. Eine solche von den Chemikern an der HU veranstaltete sei an dieser Stelle trotzdem angekündigt, da hier als Warm-up drei Bands spielen und eine von denen Wohnung heißt. Diese Band entwikkelt sich langsam zu everybody's darling in der Stadt. Von „bester Band der Welt“ war hier schon die Rede, auch zitty brachte eine große Story, und zuletzt ging das Gerücht, daß das Hamburger Label „L'age d'Or“ sein Fühler nach Wohnung ausgestreckt hätte. Ein ausgewachsener Hype bahnt sich da an, doch Wohnung dürften diesen locker mit Substanz anfüllen: Geschickt verstehen es die fünf Musiker, launig- knarzige Gitarren und einen Haufen mal sauber-avancte, mal rumpelige elektronische Spielereien in einem Song unterzubringen und dabei wunderschönste Popmelodien zu produzieren. Mit im Uni-Haus: Zuckerspender, Berlins Antwort auf L7, und die Gitarren-Band Contriva.

Heute von 18.30 bis 22 Uhr (!); Hessische Straße 1–3

Eine Band mit vielen musikalischen Gesichtern, und eine, in der manche Vollmeise o.k. regiert: Primus aus San Francisco. Als sie begannen, waren sie eine Funk-Metal-Rock-und-sonstwas-Crossover-Band, die keiner brauchte. Dann kam Grunge, und die Zeiten klangen auch für Primus besser, obwohl sie sich gern auch mal an übelsten Jazzgniedeleien versuchten oder die Verstärker so weit aufdrehten, daß viel Punk und Schrott bei rauskam. Die Amis hatten jedoch Primus schwer in ihr Herz geschlossen, selbst die Tennisspielerin Jennifer Capriati trug ihren Namenszug auf der Brust spazieren (kein Wunder, daß das Kind auf die schiefe Bahn geriet), und für das 95er Album gab's dann gar Platin. „Brown Album“ haben sie nun ihr neuestes Werk benannt, und das klingt, als hätten es sich Perry Farell, Monster Magnet und G.G. Allein auf einer Parkbank in Memphis ausgedacht. Schwerer Schwachsinn, lustig und verquer. Vielleicht gerade deswegen das beste, was man im Moment aus dem rokkenden Amerika zu hören bekommt.

Heute, 21 Uhr in Huxley's Neuer Welt, Hasenheide

Neuer Laden, neues Glück, gleicher Spaß: Kürzlich eröffnete mitten im Tiergarten der Schleusenkrug, eine ehemals ziemlich heruntergekommene Ausflugsgaststätte, die die Betreiber von „Obst und Gemüse“ und dem „Plantation Club“ nun wieder auf Vordermann gebracht haben. Kann man sich dort tagsüber ausruhen und den vorbeifahrenden Schiffen ein „Ahoi“ zurufen, finden Freitag- und Samstagnacht Parties mit prominenter DJ-Beteiligung statt. Heute abend stehen le Hammond Inferno an den Plattentellern, und deren Markus Liesenfeld mag das Schlagwort Easy Listening nicht mehr so gerne hören: „Wir machen moderne Musik mit Sixties-Samples“, meint er. Wenn man „Strange Listening“ sagt, ist er sicher auch zufrieden. Keine Frage, daß die Parteies weniger verworren über die Bühne gehen.

Heute ab 22 Uhr, Müller-Breslau-Straße

Dies ist Potsdam und nicht Berlin. Von 7 Days jedenfalls könnte sich so manche Kreuzberger Stampfrock-Crossover- Band in puncto Songwriting und Melodieführung noch eine Scheibe abschneiden. Die vier Potsdamer spielen einen locker- flockigen Melody-Punkrock, der in Boston genauso viel gelernt hat wie in Sheffield. So man mag, kann man sich auch an selig deutsche Bands wie die Creeping Candies oder Broken Jug erinnert fühlen, an Zeiten, als man hierzulande glaubte, mit Schönheit und Schrumm die Welt aus den Angelns heben zu können. Sollte man den Tag über in Depressionen verfallen sein ob der vielen schlechten Bands auf der „Fte de la Musique“, dann sind die 7 Days am Abend genau der richtige Aufheller.

21.6 21.30 Uhr im Schoko-Laden, Rosenthaler Straße

Sie können es nicht lassen, die alten Männer, deren Rock oder Pop-Ruhm zumeist gut 20, 25 Jahre zurückliegt. Auch nicht Alice Cooper, dem man aber zugestehen muß, daß er noch versucht, sich weiterzuentwickeln. So brachte er 1994 mit „The Last Temptation“ ein gar nicht mal so schlechtes Album heraus. Damit definierte er Hard-Rock zwar nicht neu, verlieh dieser Musik aber einen gewissen Glamour. Auf Cooper-Art, versteht sich. Seine wahren Heuler sind weiterhin die Glanznummern „School's Out“, „Elected“ oder „Billion Dollar Babies“. Die wird er natürlich wieder spielen, und auch auf die übliche Splatter-Show mit Blut, Schlangen, Nieten, Nägeln und Miederwaren darf man sich freuen. Wie albern, clownesk und traurig das sein wird, hängt dann nur noch von Coopers Tagesform und den Befindlichkeiten eines jeden einzelnen Besuchers ab.

22.6., ab 20 Uhr, Tempodrom

Alter Mann, die zweite: Auch Nikki Sudden hat mittlerweile die 40 überschritten, tourt aber weiter tapfer und unverdrossen durch kleine und sehr kleine Clubs. Mal allein mit Gitarre, mal mit Band, ganz nach Laune. Von seinem Partner und Geistesbruder Dave Kusworth scheint er sich wieder getrennt zu haben. Die howlin' good times reichten nicht aus, um die Jacobites auf Dauer und ein zweites Mal zur besten Rock-'n'-Roll-Band der Welt zu machen. Und in der Tat ist es nicht von Vorteil, sein Leid immer bei jemand anders haargenau wiedergespiegelt zu sehen: Unglücklich verliebt sein, nirgendwo ankommen, ewige Sommerferien haben. Da rockt es sich besser allein. Erstaunlich, daß Sudden (fast) nie peinlich wirkt, und man sich nach all den Jahren auch heute noch auf einen seiner Auftritte freut.

23.6., 21 Uhr, Huxley's Cantina, Hasenheide, am 24.6. im Wild At Heart, Wiener Straße Gerrit Bartels