Visum gegen Schmiergeldzahlung

■ Berliner Außenstelle des vietnamesischen Arbeitsministeriums kassiert von den ausreisewilligen Landsleuten. Wer der dubiosen Forderung nicht nachkommt, erhält kein Visum. Bonn will Druck machen

„Abteilung für Arbeitskräfteverwaltung“ steht auf dem Schild in der Godesberger Straße in Karlshorst. Die Außenstelle des Hanoier Ministeriums für Arbeit, Soziales und Kriegsinvaliden ist ein Relikt aus DDR-Zeiten. Vietnamesen nennen dieses Büro, das bis 1990 den „Arbeitseinsatz“ der Vertragsarbeiter koordinierte und politisch überwachte, eine „Abzockeinrichtung“. Wollen ehemalige Vertragsarbeiter nach Vietnam zurückkehren oder ihr Herkunftsland auch nur besuchen, werden sie hier erst einmal zur Kasse gebeten.

Dung (Name geändert) kam 1988 als Vertragsarbeiter nach Berlin. Bis zur Währungsunion überwies sein DDR-Betrieb 12 Prozent seines Bruttoverdienstes und die Rentenversicherungsbeiträge an die Berliner Außenstelle des Arbeitsministeriums. „Hilfe zum Wiederaufbau“ hieß der Obolus. Mit der Währungsunion stellte der Betrieb die Zahlung ein. Dung sollte selbst 12 Prozent abführen, forderte daraufhin das Ministerium. Wie die meisten seiner Landsleute kam er der Aufforderung nicht nach, schließlich gab es seit 1990 für das vietnamesische Arbeitsministerium nichts mehr zu koordinieren. Und Anfang 1991 verlor Dung seinen Job. Damit ist der Vertrag hinfällig, meint er. Dieser Rechtsauffassung schließt sich auch Almut Berger an, einst Ausländerbeauftragte der letzten DDR-Regierung und heute Brandenburgs Ausländerbeauftragte.

Dung betrieb danach jahrelang einen Textilstand an einem S-Bahnhof; bei Wind und Wetter stand er dort. Dung konnte sich nicht nur über Wasser halten, eisern sparte er in den Jahren ein paar tausend Mark zusammen. Mit dem Geld will er nun nach Vietnam zurückkehren. Freiwillig.

Doch Dung bemüht sich seit anderthalb Jahren vergeblich um die Rückreisemöglichkeit. Die Botschaft stellte ihm kein Visum aus, weil er die Zwangsabgabe nicht gezahlt hat. Vietnam verlangt als einziges Land der Welt auch von den im Ausland lebenden eigenen Staatsbürgern ein Visum zur Wiedereinreise. Von der Botschaft, die das Visum ausstellt, bekam Dung die Auflage, zuerst die ausstehende Summe an das Arbeitsministerium zu zahlen.

Klaus-Jürgen Dahler von der Bürgerinitiative für ausländische MitbürgerInnen, der Dung zu diesem Behördengang begleitete, wundert sich über die Höhe der Forderung: „Die Summe steht in keinem Verhältnis zu den sechs Monaten Vertragsarbeit zwischen Währungsunion und Kündigung.“ Vietnamesen dagegen munkeln, daß die Mitarbeiter ihr kärgliches Gehalt – Gerüchten zufolge liegt es nur um die 300 Mark – durch die ehemaligen Vertragsarbeiter aufbessern lassen. Zum offiziellen Abzocken kommt das inoffizielle hinzu.

Kaum ein Vietnamese, der sich gegen diese Forderungen wehren kann. Ohne Zahlung kein Visum. Nicht einmal besuchsweise. Dahler: „Ich kenne von der Beratungstätigkeit her Vietnamesen, bei denen eine geringere Summe akzeptiert wurde, weil einfach nicht mehr Geld zu holen war. Aber zahlen mußten sie.“ Auch eine Quittung gibt es für die Zwangsabgabe nicht. Die Mitarbeiter behaupten, mit der Zahlung würden die Jahre in Deutschland als Beitragsjahre für die Rentenversicherung zählen. Kontrollieren kann das keiner.

Auch die Bundesregierung will nun offensichtlich reagieren. Staatssekretär Kurt Schelter vom Bundesinnenministerium hat jetzt gegenüber dem SFB eingeräumt, daß ihm Gerüchte über Bestechungsgelder an die vietnamesische Botschaft zu Ohren gekommen sind. Er habe die Botschaft in Bonn darauf angesprochen. Die habe ihm versprochen, dem nachzugehen. Die nach vietnamesischem Recht legale Zahlung der zwölf Prozent vom Einkommen sei dabei aber nicht zur Sprache gekommen. taz