Mit null Energie in die Zukunft

In Spandau wurde ein Einfamilienhaus errichtet, daß ohne die Verbrennung fossiler Energien beheizt werden soll. Der Heizenergieverbrauch wurde auf knapp ein Zehntel reduziert  ■ Von Martin Kaluza

Auf dem Weltklimagipfel kündigte der Bundeskanzler vollmundig an, seine Republik werde demnächst weniger Kohlendioxid ausstoßen als bisher. Ziel der Bundesregierung ist es seither, die Emissionen bis zum Jahr 2010, gegenüber den Werten von 1990, um 25 Prozent zu reduzieren. Seither beeilt man sich, kleinere Pilotprojekte zu fördern wie etwa ein Einfamilienhaus im Weinmeisterhornweg in Spandau, daß ohne die Verbrennung fossiler Energieträger beheizt werden soll. Das Wohnhaus wurde nach Plänen des Instituts für Bau-, Umwelt- und Solarforschung (IBUS) von der Gemeinnützigen Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft Berlin (GSW) errichtet und am 5. Mai offiziell eingeweiht. Seit dem 1. Juni hat die GSW das Haus regulär an eine Familie vermietet.

Allein die Bauweise des Einfamilienhauses ist so gewählt, daß ohnehin wenig Heizenergie benötigt wird: Die Nordfassade ist klein gehalten, die Südseite hingegen hat viele Fenster, die in den sonnenreichen Monaten viel Licht ins Haus lassen. Küche und Bad liegen im Norden. Das Herzstück des Null-Heizenergie-Hauses ist im wahrsten Sinne des Wortes ein zwanzig Kubikmeter großer Wassertank, in dem die über Sonnenkollektoren gewonnene Heizenergie gespeichert wird. Der Tank ist in der Mitte des Hauses installiert und reicht vom Keller bis unters Dach. Um ihn herum verläuft das Treppenhaus, damit die Wärme, die trotz Isolierung aus ihm entweicht, das Hausinnere heizt.

Da gewöhnlich im Winter ein großer Teil der Heizwärme beim Lüften verlorengeht, soll eine Lüftungsanlage sich um dieses Problem kümmern. Die Wärme der Abluft wird zurückgewonnen und mit ihr die Frischluft vorgewärmt. Im Sommer wird die Anlage abgeschaltet, man kann wieder über die Fenster lüften. Der Heizenergiebedarf wird mit etwa 18 Kilowattstunden pro Quadratmeter Nutzfläche veranschlagt und soll durch Solarenergie erbracht werden. Zum Vergleich: Ein gewöhnliches Einfamilienhaus, das vor 1984 gebaut wurde, hat einen Heizenergiebedarf von ungefähr 250 Kilowattstunden pro Quadratmeter, nach der Wärmeschutzverordnung von 1995 sind noch 100 erlaubt.

Das Problem bei Solarenergienutzung war bislang, daß die Sonne im Winter zuwenig scheint, im Sommer dagegen sogar zuviel. Mit Hilfe des zehn Meter hohen Wasserspeichers, entwickelt vom Institut für Thermodynamik und Wärmetechnik der Uni Stuttgart, soll nun die Sonnenergie für die gesamte Wintersaison gespeichert werden. Die 53 Quadratmeter großen Hochleistungskollektoren heizen das Wasser im Sommer bis auf 95 Grad, im Winter kann es dann langsam abkühlen: Die Heizkörper des Hauses sind so konstruiert, daß sie mit einer Heizwassertemperatur von dreißig bis vierzig Grad auskommen. An sonnigen Tagen im Herbst oder Winter wird immer wieder Energie nachgeladen, und im Sommer fällt soviel Solarwärme an, daß die Kollektoren das Warmwasser zweier Nachbarhäuser gleich noch mitheizen.

Ob das Haus tatsächlich so funktioniert, wie die Konstrukteure sich das vorgestellt haben, soll sich in den nächsten achtzehn Monaten herausstellen. Das Stuttgarter Fraunhofer-Institut für Bauphysik, das auch das Bau- und Energiekonzept entwickelt hat, hat in dem Gebäude über hundert Meßsensoren installiert. Die Fühler sollen beispielsweise die Temperaturverteilung im Speicher in verschiedenen Höhen feststellen, die Effizienz des Lüftungssystems ermitteln oder die Öffnungszeiten der Fenster erfassen.

Von dem Pilotprojekt in Spandau erhofft man sich im Bundesforschungsministerium, das das Projekt mit 2,7 Millionen Mark fördert, Lösungsansätze für zukünftige Gebäude: „Damit wird ein großes Potential der Energieeinsparung in einem Anwendungssektor möglich, der etwa ein Drittel des Gesamtenergiebedarfs von Deutschland ausmacht.“

Momentan würden die meisten Bauherren noch von den Kosten abgeschreckt werden. Für die Solaranlage inklusive Tank würden derzeit 90.000 Mark Mehrkosten gegenüber einem gewöhnlichen Haus anfallen. Hinzu kommen 20.000 für die besonderen Niedrigtemperatur-Heizkörper und 15.000 für die Lüftungsanlage. Die am Projekt Beteiligten rechnen damit, daß das Null-Heizenergie- Haus Mehrinvestitionen von 165.000 bis 200.000 Mark erfordert.