Schlaganfall steigert den Appetit

Gräfelfing (AP/taz) – Vor dem Vertreter Stefan K. war kein Delikatessengeschäft sicher. „Wenn ich das Schaufenster gesehen habe, mußte ich den Laden leerkaufen“, bekennt der 24jährige. „Niemand konnte mich aufhalten.“ Für Stefan K.s Verlangen nach leckerem Essen gibt es inzwischen eine medizinische Erklärung: Schädigungen am Hirn können Patienten süchtig nach feinem Essen und Trinken machen. Schweizer Neurologen entdeckten dieses sogenannte Gourmet-Syndrom jetzt bei einer Studie an Patienten, die an einem Tumor erkrankt waren oder ein Trauma beziehungsweise einen Schlaganfall erlitten hatten. Nach einem Bericht der Ärztlichen Praxis entwickelte sich bei drei Patienten mit Schädigungen an der rechten Hälfte des Großhirns eine Neigung zu lukullischen Genüssen, die typische Symptome von Abhängigkeits- und Zwangskrankheiten aufwies. Im Gegensatz zu anderen Eßstörungen spielte aber nicht die Menge, sondern die Qualität des Essens die Hauptrolle: Vom Feinsten mußte es sein.

So begann dem Bericht zufolge ein Geschäftsmann nach einem Schlaganfall seinen Beruf zu vernachlässigen, sprach nur noch über Delikatessen und verbrachte mehr Zeit in Eßtempeln als in seinem Büro. Ein Journalist nutzte laut Ärztlicher Praxis seine Krankheit für eine berufliche Neuorientierung und schreibt nun für Gourmet-Zeitschriften. Auch Stefan K. gelang es, seine Sucht in geordnete Bahnen zu lenken. „Als Vertreter kommt man viel herum und ist ständig Versuchungen ausgesetzt“, erkannte er. „Ich mußte einfach seßhaft werden.“ Seine Patentlösung: Er ließ sich an der Münchner Kochschule zum Vorkoster ausbilden und ist seither in einem königlichen Haushalt beschäftigt. C&A