Zum Rebounden in die Wüste

Marlies Askamp aus Wuppertal ist die einzige deutsche Spielerin, die beim Start der neuen Frauen-Basketball-Liga WNBA in den USA mit von der Partie ist  ■ Von Ute Berndt

Am Montag früh stand sie noch im Budapester Hotelzimmer und hatte Mühe, all ihre Trophäen einzupacken. Marlies Askamp war nach dem überraschenden Bronzemedaillengewinn der deutschen Basketballerinnen bei der Europameisterschaft als beste Spielerin ausgezeichnet worden, hatte mit weitem Abstand die meisten Rebounds geholt und war auch in das fünfköpfige „Allstar-Team“ der Titelkämpfe gewählt worden. Morgen setzt die 1,91 Meter große Centerin in Phoenix/Arizona den nächsten Meilenstein: Sie ist als einzige Deutsche beim Start der neuen amerikanischen Profiliga WNBA dabei und empfängt mit Phoenix Mercury das Team der Charlotte Sting.

„Eigentlich habe ich schon 1996 gedacht, es wäre mein Top-Jahr“, meint die 26jährige. Da hatte sie mit dem BTV Wuppertal das „Triple“ geschafft, die Deutsche Meisterschaft, den DBB-Pokal und den Europapokal der Landesmeisterinnen gewonnen und sich mit dem Nationalteam für die Endrunde der Europameisterschaft qualifiziert. „Aber jetzt wird wohl doch 1997 der Höhepunkt.“ Die beiden deutschen Titel waren für Serienmeister Wuppertal erneut nur Formsache, und in der neuen Europaliga endete der Erfolgsweg erst im Finale mit der Niederlage gegen Bourges. Für Askamp begann der ganz große Erfolg mit dem Zweijahresvertrag in der WNBA, und er wurde vom EM- Triumph der DBB-Auswahl noch gesteigert.

Die Chancen für das blonde Kraftpaket in den USA stehen nicht schlecht. Verpflichtet wurde sie in Phoenix nur als Ergänzungsspielerin auf Empfehlung ihrer Wuppertaler Teamkollegin Michele Timms. Die australische Playmakerin ist eine von fünf internationalen Stars, die die Liga als Aushängeschilder geholt hatte. „Die Besten von jedem Ende der Welt“ war die Devise, nach der WNBA-Präsidentin Val Ackerman und Co. herausragende Akteurinnen von Olympia und WM mit Top-Gehältern in die neue Liga gelockt hatte. Die Justizbeamtin aus Wuppertal gehörte nicht dazu. Auch bei der zweiten Welle von Neuverpflichtungen war sie nicht dabei, mußte im Meisterschaftsfinale gegen Aschaffenburg antreten, während in den USA die Ausscheidungswettkämpfe liefen.

Die zwei Restplätze im Team durfte jeder der acht WNBA- Klubs auf eigene Faust besetzen. Timms machte sich für Askamp stark und hatte Erfolg, wohl auch weil die Centerin so ideal ins Mercury-Konzept zu passen scheint: Über aggressive Verteidigung und hohes Tempo soll Phoenix seine Erfolge erzielen. Wirbelwind Timms verkörpert diesen Spielstil und hatte mit Askamp in Wuppertal ihre ideale Partnerin gefunden. Denn für ihre Größe ist die Deutsche enorm schnell und eine exzellente Verteidigerin. Ihre EM-Statistik, die sie am Mittwoch nach Ankunft in der Retortenstadt in der Wüste Arizonas ihrer neuen Trainerin Cheryl Miller überreichte, sorgte für zusätzliche Begeisterung. „Klar, die kennen mich ja ebensowenig, wie ich die amerikanische Szene kenne“, weiß Askamp, daß sie in der WNBA zunächst ganz kleine Brötchen backen muß.

Der Weg zum schnellen Aufstieg scheint jedoch bereitet: „Alle haben gesagt, es sei toll, daß ich endlich da bin, weil die Mannschaft unter dem Korb doch etwas zu dünn besetzt ist“, berichtete sie von mutmachenden Reaktionen und ist auch zuversichtich, sich einen Stammplatz erobern zu können. „Die EM hat mir zusätzliches Selbstvertrauen gegeben – von der Leistung her glaube ich nicht, daß ich Probleme bekomme.“

Den Rest sieht Marlies Askamp als Herausforderung an: Das neue Land, die Sprache, die andere Mentalität der Amerikanerinnen, bei denen sie die Disziplin weiter im Vordergrund vermutet, und der Saisonstreß mit 28 Spielen in zwei Monaten sowie den damit verbundenen Flugreisen. „Ich habe relativ spät mit dem ganz intensiven Training angefangen, da ist mein Körper noch nicht so kaputt“, wird ihr auch beim Gedanken, zwischen Bundesligasaison, EM und WM die kraftraubende WNBA einzuschieben, nicht bange.

Die neue Liga will sich durch ihre Art, Basketball zu spielen, ihren männlichen Vorbildern und Gründungsvätern von der NBA annähern und von der mehr collegeorientierten, in der Wintersaison spielenden Konkurrenzliga American Basketball League (ABL) abheben. „Tempo, Athletik und Härte haben wir auch zu bieten“, sagt die für den Spielbetrieb zuständige WNBA-Direktorin Kelly Krauskopf. Marlies Askamp wird es entgegenkommen, denn bei dieser Spielanlage stehen die Centerinnen mehr im Blickpunkt als beim weniger körperbetonten Spiel der ABL. Dennoch weiß auch Krauskopf, daß das Fehlen von krachenden Dunkings anderweitig ausgeglichen werden muß, wenn die WNBA auf Dauer die Fans begeistern soll. „Bei uns kann man noch erleben, wie Korberfolge herausgespielt und nicht nur mit viel Kraft erzwungen werden.“

Daß sich die WNBA als erste professionelle Frauenliga Amerikas langfristig behaupten kann, davon sind die Macher überzeugt. Schließlich steht David Stern mit seiner mächtigen NBA-Organisation dahinter, die den Korbjägerinnen ihre Hallen und ihre gesamte Infrastruktur zur Verfügung stellt. Nach ausgiebigen Marktanalysen hat die NBA auch das Marketing übernommen und bereits vor einem Jahr drei wichtige Fernsehverträge und hochdotierte Kontrakte mit sechs Großsponsoren abgeschlossen. Drei WNBA- Spiele wöchentlich werden von den Sendern NBC, ESPN und Lifetime in voller Länge übertragen. „Das ist der Grundstock, auf dem wir unsere Fanbasis entwickeln müssen“, sagt Ackerman und glaubt wie Stern, daß die WNBA in einigen Jahren als profitables Unternehmen arbeitet.

„Das Feedback wird gut sein, denn die Amis packen so etwas sehr professionell an“, ist auch Marlies Askamp vom Erfolg der WNBA überzeugt. „Für mich ist es einfach genial, bei der Premiere dabeizusein. Und dann auch noch als einzige Deutsche.“