■ Interfraktioneller Antrag zum Transplantationsgesetz
: Tötungsverbot wird aufgeweicht

Ein Transplantationsgesetz ist schon lange überfällig. Angesicht der Schärfe des Streits um die künftige Regelung und den fast unversöhnlich gegenüberstehenden Positionen der Kontrahenten ist es unverständlich, daß der Gesetzgeber nicht schon früher aktiv geworden ist. Jahrzehntelang transplantierten Mediziner im rechtsfreien Raum. Lediglich Vorgaben der Standesorganisationen regeln die Bedingungen, unter denen ein Organ entnommen werden darf. Doch schon mit der ersten Organübertragung schufen die Chirurgen Fakten und legten fest, daß der Ausfall aller Hirnfunktionen mit dem Tod des Menschen gleichzusetzen sei. Der Spruch von der „inneren Enthauptung“ machte die Runde. Mit dieser Todesdefinition sahen sich die Transplanteure auf der sicheren Seite. Sie legitimierte nicht nur den Eingriff für die Organentnahme, mit ihr konnte auch die Entscheidung, ob die „Leiche“ als Organspender zur Verfügung steht, den Angehörigen übertragen werden.

Der Gesetzentwurf, der gestern gemeinsam von den Grünen, Bundesjustizminister Edzard Schmidt- Jorzig und einigen Abgeordneten von SPD und Union vorgestellt wurde, trifft den Nerv der Transplantationschirurgie. Sollte der Antrag im Bundestag eine Mehrheit finden, würde nicht nur der Zugriff auf die lebensverlängernden Organe erschwert werden. Mit der zentralen Aussage, der Hirntod ist zwar nicht der Tod des Menschen, soll aber als Entnahmekriterium Gültigkeit haben, stellt der Gesetzentwurf die Organübertragung, so wie sie heute in den meisten Fällen praktiziert werden, gänzlich in Frage. Auch wenn die Drohung von Transplanteuren, sie würden ihre Arbeit einstellen, wenn die hirntoten Organspender als Sterbende oder als „Noch-Lebende“ angesehen werden, nicht ganz ernst zu nehmen sind.

Fraglich ist vielmehr, ob dann die Organentnahme verfassungsrechtlich noch haltbar ist und hier nicht eine Tötungshandlung vorliegt. Die Organentnahme selbst würde somit zum todlichen Eingriff. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Sterbende zuvor persönlich seine Zustimmung gegeben hätte. Ein Ausnahme vom Tötungsverbot, selbst wenn damit das Leben von schwerkranken Patienten, die ganz dringend auf ein Organ warten, gerettet werden kann, darf es nicht geben. Damit würde das Tor für noch weitergehende Regelungen aufgestoßen. Schon jetzt gibt es Stimmen, die auch Zugriffsmöglichkeiten auf die Organe von Teilhirntoten einfordern. Wolfgang Löhr