Solarverordnung light am Horizont

■ Vertrag zwischen Umweltverwaltung und Wohnungswirtschaft: Für 75 Prozent der Neubauten sollen Standards der Solaranlagenverordnung gelten. Kritik der Grünen: Keine Verpflichtung der Bauherren

Über dem Wohnungsneubau geht zaghaft die Sonne auf. Nach fast zweijähriger Blockade in Senat, Verwaltung und Wirtschaft sollen nun die Hauptziele der Solaranlagenverordnung teilweise durch eine Selbstverpflichtung der Bauindustrie durchgesetzt werden. In der Umweltverwaltung liegt ein Vertrag vor, mit dem sich die Verbände der Wohnungsbauunternehmen dazu verpflichten, 75 Prozent der Neubauten mit jeweils 60 Prozent Warmwasser aus Solaranlagen zu versorgen. Das hat Umweltsenator Peter Strieder (SPD) angekündigt.

An dem Vertrag müßten noch letzte Details geklärt werden, meinte Strieders Sprecher Joachim Günther auf Anfrage. Doch der Inhalt ist bereits weitgehend klar: Für 1998 und 1999 ist der Neubau von jeweils 2.500 m2 Solarkollektorenfläche vorgesehen. Schuld an dieser niedrigen Zahl sei die aufgrund der Finanzmisere des Landes allgemein geringe Neubautätigkeit, heißt es. Pro neuer Wohnung sollen 1,5 m2 Kollektorenfläche geschaffen werden, sieht die Vereinbarung vor. Für die Jahre bis 2002 gilt der 75-Prozent- Grundsatz. Am Ende soll in einer Bilanz darüber befunden werden, ob 75 Prozent aller Neubauten zwischen 1998 und 2002 mit solar beheiztem Warmwasser versorgt werden. Ist dies nicht der Fall, soll dann von der Umweltverwaltung die Solaranlagenverordnung in Kraft gesetzt werden.

Bei der CO2-Reduzierung werde der Vertrag die Vorgaben der Solaranlagenverordnung sogar um etwa 50 Prozent übertreffen, meinte Günther. Das werde durch zusätzliche Maßnahmen wie Wärmedämmung auch in Altbauten erreicht.

Im Gegensatz zur Solaranlagenverordnung, die von der Wirtschaft und der Bauverwaltung als Preissteigerung am Bau bekämpft worden war, bindet die Vereinbarung nur die unterzeichnenden Verbände der Wohnungswirtschaft: den „Landesverband der freien Wohnungsunternehmen“ und den „Verband der Berlin-Brandenburgischen Wohnungsunternehmen“. Nicht verpflichtet sind die einzelnen Bauherren und die Bauherren privater Häuser. Für die Privaten gab es aber auch in der Solaranlagenverordnung ein Schlupfloch zur Verhinderung der Solaranlagen.

Der bündnisgrüne Umweltpolitiker Hartwig Berger hat die geplante Vereinbarung stark kritisiert: „Die Selbstverpflichtung bindet nicht die einzelnen Bauherren, so daß wir mit der Unterschreitung dieser Planungszahlen zu rechnen haben.“ Die angepeilten Kollektorenflächen seien so gering, daß sie gerade 329 Tonnen CO2 und damit 0,001 Prozent der Gesamtemissionen Berlins verhinderten und auch nur 10 bis 13 Arbeitsplätze in der Region schaffen würden. Weiterhin werde die öffentliche Hand von dieser Verpflichtung ausgenommen. „Die Vereinbarung ist das Papier nicht wert, auf dem sie steht“, so Berger. „Ich fordere den Umweltsenator auf, die Verpflichtung nicht zu unterzeichnen und die längst überfällige Solaranlagenverordnung sofort zu erlassen.“

Die Solaranlagenverordnung war lange umstritten. Seit 1995 wird sie vom Parlament gefordert, war aber seit dieser Zeit immer wieder im Senat am Widerspruch vor allem der Bauverwaltung gescheitert. Nach langwierigen Verhandlungen forderte das Parlament die Umweltverwaltung Ende 96 ultimativ auf, bis zum März 1997 mit der Wirtschaft eine „zumindest gleichwertige“ freiwillige Vereinbarung zu schließen oder ansonsten die Solaranlagenverordnung in Kraft zu setzen. Die Vorlage der Wohnungswirtschaft lehnte Umweltsenator Peter Strieder (SPD) im April 97 als unzureichend ab. Dennoch setzte er die Verordnung nicht wie gefordert in Kraft, sondern verhandelte weiter. Bernhard Pötter