Das Portrait
: Der junge Mann und der Weltkonzern

■ Thomas Middelhoff

Wenn er es jetzt wird, kann er es lange bleiben: Thomas Middelhoff, der einer Spiegel-Meldung zufolge im nächsten Herbst den Vorstandsvorsitz des drittgrößten Medienkonzerns der Welt, Bertelsmann, übernehmen soll, ist erst 44 Jahre alt. Und damit weit entfernt von jener bei Bertelsmann sakrosankten Pensionsgrenze von 60 Jahren, die der jetzige Konzernchef Mark Wössner am 14. Oktober 1998 erreicht. Middelhoff wäre dann einer der jüngsten in einem Geschäft, das bis jetzt in Europa ein Spielfeld einsamer alter Patrone ist.

Daß er es werden will, hat Middelhoff schon ganz zu Beginn durchblicken lassen. Erst brachte er sich mit einem Portrait in der Süddeutschen Zeitung ins Gespräch, dann tauchte die Sache immer mal wieder im Spiegel auf. Und eigentlich gibt es in Gütersloh nichts Verpönteres als solcherlei Öffentlichkeitsarbeit. Dennoch scheint nun tatsächlich alles auf den Multimedia- und Strategievorstand Middelhoff zuzulaufen, wenn stimmt, was von Middelhoffs bisherigen Konkurrenten, dem TV- und Entertainmentvorstand Michael Dornemann, kolportiert wird: Der wolle lieber in New York bleiben.

Mit der Entscheiudung für Middelhoff verbände sich auch eine Entscheidung für die künftige Konzernstrategie: Trotz der einstweilen enttäuschten Erwartungen im TV- und Multimediageschäft, hält der bislang printlastige Weltkonzern (Umsatz: 21,5 Milliarden Mark) an dem Ziel fest, nach der Jahrtausendwende die Hälfte seines Umsatzes mit elektronischen Medien zu machen. Besonders der von Middelhoff aufgebaute Multimediabereich (Online-Dienst AOL) soll dazu beitragen. Doch der blieb bislang weit hinter Middelhoffs hochfliegenden Umsatzerwartungen zurück. Zwei Milliarden Mark wollte er bis ins Jahr 2000 mit Multimedia umsetzen. „So ernst hat es dieser junge Mann mit seiner Prognose nicht gemeint“, wurde Middelhoff darauf von Wössner öffentlich diskreditiert. Wird Middelhoff trotz Wössners Zweifel an seiner Performance erster Bertels- Mann, kommt auf ihn nicht nur die Umstrukturierung zu: In kaum einem Bereich laufen Bertelsmanns Geschäfte so rund wie gewohnt. Und ganz am Anfang des neuen Jobs könnte wieder das Zukunfts-TV stehen, und ein Treffen mit Bertelsmann- Partner in spe Leo Kirch. Aber Middelhoff soll schließlich ein Kommunikationstalent sein. Lutz Meier