„Stoiber kriegt jetzt eins drüber“

Helmut Kohl hat die Faxen dicke: Die ständigen Störmanöver des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber in Sachen Euro sollen nicht länger ohne Folgen bleiben  ■ Aus Bonn Severin Weiland

Warum nur blickte Helmut Kohl beim G7-Gipfel in Denver so mißmutig in die Runde? War es die Bitte von Bill Clinton, in Cowboystiefeln zum privaten Empfang zu erscheinen? Oder waren es die Nachrichten, die ihn am Wochenende aus Deutschland erreichten? Wenn er Mitte der Woche nach Bonn zurückkehrt, steht dem Kanzler jedenfalls wieder Ärger ins Haus. Edmund Stoiber, bayerischer Ministerpräsident, ist sauer, weil der Kanzler ihn abgekanzelt hat. Kohl, ließ Stoiber trocken verlauten, habe ihm gegenüber kein Weisungsrecht.

Was den CSU-Politiker erzürnt, sind Äußerungen des Kanzlers, die dieser vergangene Woche während des EU-Gipfels in Amsterdam gegenüber Stoibers Kanzleichef Kurt Faltlhauser gemacht hatte. Die ständigen „Störmanöver“ Stoibers zum Euro sei er langsam leid. Gegenüber Vertrauten soll Kohl laut Spiegel gar mächtig Dampf abgelassen haben: „Das geht so nicht weiter, der kriegt jetzt eins drüber.“ Stoiber, bekanntlich einer der hartnäckigsten Widersacher von Finanzminister Theo Waigel, hatte in den vergangenen Wochen seinem Euro-Skeptizismus freien Lauf gelassen: Bei der Einführung der neuen Währung dürfe es „keine faulen Kompromisse“ geben.

Signale, die wohl nicht nur an seinen innerparteilichen Widersacher Waigel gerichtet sind, der sich aus Treue zu Kohl dem Euro-Projekt gänzlich verschrieben hat. Stoiber nötigte Waigel kürzlich auf einer CSU-Vorstandssitzung die Zusage ab, die jährliche Verschuldungsrate vor der Euro-Einführung von 3,0 Prozent des Bruttosozialprodukts strikt einzuhalten. Eine Verpflichtung, die Waigels Position innerhalb der CSU gefährden könnte, sollte er sich gezwungen sehen, die Konvergenzkriterien doch irgendwann aufzuweichen. Doch Stoibers Kritik am Euro zielt direkt auf den Kanzler.

Mit seinem Lavieren hat der Ministerpräsident offenkundig die kommenden Landtagswahlen in Bayern im Blick. Eine derzeitige Umfrage, die in der Münchener Staatskanzlei unter Verschluß gehalten wird, prophezeit der CSU für September 1998 den Verlust der absoluten Mehrheit. Unabhängige Wählergemeinschaften und die rechtsextremen „Republikaner“ könnten demnach auf 14 Prozent der Stimmen kommen. Auch wenn diese Umfrage gestern prompt in München dementiert wurde, blühen munter die Spekulationen. Der Spiegel will wissen, daß der Kanzler in einer internen Runde den „bayerischen Populisten“ (Kohl) bezichtigt haben soll, es auf vorgezogene Bundestagswahlen abgesehen zu haben, um so die kurz zuvor stattfindenden Landtagswahlen abzukoppeln.

In Amsterdam, heißt es, gab Helmut Kohl dem Staatskanzleichef Faltlhauser die Mahnung mit auf den Weg, es gehe nicht an, daß Stoiber auf dem Münchener Marienplatz mit der Apothekerwaage abwiege, ob die Neuverschuldung des Bundes das Euro-Konvergenzkriterium übersteige. Aus München blaffte Edmund Stoiber selbstbewußt zurück: „Dem Kanzler wird es sicherlich sehr recht sein, wenn auf die Apothekerwaage in Bonn 50 Prozent plus x aus Bayern gelegt werden.“ Am Wochenende legte er noch einmal nach. Statt mit ihm, so Stoibers Empfehlung, solle sich Kohl lieber mit Gerhard Schröder auseinandersetzen.