Tansu Çiller tobt

■ Die türkische Außenministerin wähnt sich als Opfer eines präsidialen Putsches

Istanbul (taz) – Die türkische Außenministerin Tansu Çiller giftet gegen Staatspräsident Süleyman Demirel. Weil der am Freitag Ihren Erzrivalen Mesut Yilmaz von der oppositionellen Mutterlandspartei (Anap) mit der Regierungsbildung beauftragt hat, beschuldigt ihn die Chefin der konservativen Partei des rechten Weges (DYP), die Verfassung zu brechen und der politischen Moral zuwider zu handeln: „Wir sind mit einem Putsch des Präsidentenpalastes konfrontiert.“ Die Beauftragung von Yilmaz und der Versuch die islamistische Wohlfahrtspartei aus der Politik auszugrenzen sei ein „großer Schlag gegen das parlamentarische System“.

Çiller hatte sich sicher gewähnt, selbst mit der Regierungsbildung beauftragt zu werden. Zuvor hatte sie sich mit dem bisherigen Regierungschef, dem Islamisten Necmettin Erbakan, gütlich auf eine Rotation geeignigt. Erbakan trat als Ministerpräsident zurück, Çiller sollte das Amt bis zu baldigen Neuwahlen übernehmen. Damit auch ja nichts schiefgehe, überreichte Erbakan bei seinem Rücktritt Demirel eine Deklaration der Koalitionspartner, der sich die rechtsextreme Große Einheitspartei angeschlossen hatte. Mit den Stimmen der drei Fraktionen kam Çiller auf eine klare parlamentarische Mehrheit.

Doch Demirel lud Çiller noch nicht einmal zu Konsultationen in das Präsidentenpalais ein. Mit der Beauftragung des bürgerlichen Oppositionspolitikers Mesut Yilmaz, den auch die bürgerlichen Linksparteien im Parlament unterstützen, setzt Demirel ein Zeichen, daß er – wie die Militärs – keine Koalitionsregierung wünscht, an der die Wohlfahrtspartei beteiligt ist.

Yilmaz strebt dagegen ein Allparteienkabinett der „nationalen Verständigung“ unter Ausschluß der Wohlfahrtspartei an. Da Çiller jedoch ein Zusammengehen mit Yilmaz kategorisch ablehnt, benötigt dieser jetzt Stimmen von Dissidenten aus den Reihen der DYP, um eine Mehrheit zustande zu bringen. Ömer Erzeren

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