Polizei aus der Reserve gelockt

■ Innensenator will Freiwillige Polizeireserve ausbauen, um Kosten zu senken und mehr Polizei auf die Straße zu schicken. GdP lehnt Plan als "unverantwortlich" ab

Unter dem rot-grünen Senat knapp der Auflösung entkommen, soll die Freiwillige Polizeireserve (FPR) nach dem Willen von Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) nun ihr großes Comeback erleben. Herbe Kritik handelte sich der Innensenator gestern von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) für seinen Vorschlag ein, die wiederholt in die Schlagzeilen geratene Hilfspolizeitruppe auszubauen, um so besser gegen die Kriminalität vorgehen und Gelder bei der Schutzpolizei einsparen zu können.

Um die aus etwa 1.000 Reservisten und 500 Aktiven bestehende FPR aufstocken zu können, wirbt der Innensenator für den Dienst in der Truppe. Gerade im Ostteil seien die Hilfspolizisten viel zu wenig präsent, meinte er. Schönbohm, der die FPR in der Vergangenheit als „wichtigen Bestandteil des zukünftigen Sicherheitskonzepts“ bezeichnet hatte, will die Hilfspolizisten zum Streifendienst und gegen den Handel mit unverzollten Zigaretten einsetzen. Polizeipräsident Hagen Saberschinsky hatte bereits im vergangenen Jahr den verstärkten Einsatz der FPR beim Objektschutz angekündigt. Die Anzahl der Einrichtungen, die von den Sicherheitskräften bewacht werden müßten, steige mit dem Umzug der Regierung stark an.

Die Gewerkschaft der Polizei, die bereits 1993 Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz über die FPR eingelegt hatte, hält an ihrem Nein zu den „Hobby-Polizisten“ fest. Der Berliner GdP-Chef Eberhard Schönberg bezeichnete Schönbohms Pläne gestern als „unverantwortlich“. Auch Grüne und PDS hatten wiederholt die Auflösung der FPR gefordert.

Die Polizeireserve war 1960 als Reaktion auf den Aufbau der Betriebskampfgruppen in der DDR gegründet worden, um im Falle einer DDR-Invasion präsent zu sein. Nach dem Mauerbau und im Laufe der Entspannungspolitik verlor sie fast vollkommen ihre Funktion. Das Relikt des Kalten Krieges wurde immer mehr zu verschiedenen polizeilichen Aufgaben herangezogen. Heute gehören nicht nur der Objektschutz und der Streifendienst zu den Aufgaben der Hilfspolizisten, die Waffen tragen und mit Blaulicht fahren dürfen, sondern auch der Einsatz bei Großereignissen wie Staatsbesuchen.

1985 kam die Truppe ins Gerede: Ein rechtsextremer Waffennarr, der sich selbst erschoß, als die Polizei seine Wohnung stürmte, entpuppte sich als Mitglied der FPR. 1993 folgte der nächste große Skandal: Fünf mutmaßliche Mitglieder eines aufgeflogenen rechtsextremen Waffenhändlerrings waren Mitglieder der FPR. Der daraufhin eingesetzte Untersuchungsausschuß im Parlament ermittelte 109 FPR-Mitglieder, die bereits rechtskräftig verurteilt waren. Einen Verdacht hatte es vorher bei 807 FPRlern gegeben, zahlreiche Hilfspolizisten hatten sich aber einer genauen Untersuchung durch vorherigen Austritt entzogen. Tobias Singelnstein