Herr Hefele in Wimbledon
: Dafür kann Tim nichts

■ Britanniens Hoffnung Henman wird unsympathisch – er ähnelt Matthäus

Man entkommt ihr einfach nicht – der Erdbeere. Mein Redakteur wir mich steinigen (In Chinakladde eingetragen: Hefele nach Rückkehr steinigen! Der Red.) Trotzdem ist sie mir gestern auf dem Weg in die grüne Hölle Wimbledons erschienen. Riesig und wie von Außerirdischen hingepflanzt, pendelte sie plötzlich träge über den Wiesen. Kurzzeitig wähnte man sich schon als Opfer eines früh einsetzenden Wimbledon-Wahns. War aber nicht so schlimm, denn es handelte sich lediglich um den Werbeballon eines Gelee-Herstellers.

Der gar nicht so groß hätte ausfallen müssen, denn eines fällt dem Kontinentaldeutschen auf: Die Engländer tragen keine Brillen. Oder nur sehr selten. Wie kommt das?

Herr Hefele über Blowjobs: Macht Tennisspielen triebhaft?

Sind die so eitel, oder haben die so gute Augen – und falls zweiteres, warum? Darüber könnte man lange spekulieren, wahrscheinlich hängt es mit all dem Grün zusammen, das der Engländer mit sichtlichem Behagen betrachtet.

Hecken und Wiesen, Parks und Rasen. Ein Paradies für Fehlsichtige und Hasen.

Jedenfalls kommt man sich nach langer Zeit wieder etwas seltsam vor, mit Nasenfahrrad, als einzig Jüngerer unter all den alten Männern. Die immer und überall Zeitung lesen. Und sich dabei zwangsläufig auch die Bilder von Tim Henman ansehen. Dem Kolumnenkollege McEnroe eine dicke Chance auf den Titel einräumt. Warum auch nicht, wäre endlich an der Zeit, daß ein Mensch aus good old Britain sich den Teller holt. Meinen Segen hat er – besser hatte er –, seit ich entdeckt habe, daß Henman, auf einem Werbefoto von Kellogg's, auf frappante Art und Weise Lothar Matthäus ähnelt.

Na gut, dafür kann er nichts. Aber ich kann auch nichts dafür, daß mein Sympathiependel nun plötzlich etwas in die andere Richtung ausschlägt. Noch dazu, da ich in der Montagausgabe des Independent lesen muß, wie seltsam sich Tennisspieler entwickeln können. In diesem Falle Illie Nastase, in den 70er Jahren so etwas wie der heimliche Godfather des Tennis. Rumänische Magie, von den Fachleuten als Genie bejubelt, von den Fans ob seines transsylvanischen Blutes und seiner Unberechenbarkeit mit wohligem Gruseln beobachtet: „Was er wohl tut in der nächsten Minute?“ – „Wen er wohl beißt?“ Tat er aber nicht, rollte höchstens mal unmotiviert über den Ground.

Mittlerweile treibt er sich auf „Ehemaligen“-Turnieren herum und schockiert – nach der Art älter werdender Idioten – alle Damen, die ihm in die Quere kommen. Mit schmutzigen Witzen und zweideutigen Anekdoten: „Woman said to me oh Baby you're so good.“ Worte wie „horny“ und „blowjob“ bildeten einen wichtigen Bestandteil seines Wortschatzes, heißt es. Hier stellt sich die Frage: Macht Tennisspielen triebhaft, oder handelte es sich bloß um das letzte verzweifelte Aufbäumen eines ehemals Prominenten; der Versuch, Kapital aus seiner Bekanntheit zu schlagen? Wie auch immer. Mal sehen, was aus unseren heutigen Champions bzw. Fast-Champions dereinst wird.

Die Gedanken schweifen in Wimbledon schnell ab, insbesondere wenn sich auf dem Platz nichts tut. Kaum angekommen, begann es gestern mittag natürlich zu regnen. Einzig Goran Ivanisevic schaffte es vor dem ersten Schauer als Sieger ins Trockene. Der Rest kämpfte mit den Turbulenzen des Schicksals – wie Nastase. Wer weiß: Vielleicht macht Anke Huber eines Tages ein Fachgeschäft für Lack- und Dominawaren auf...