Macht fängt im Kopf an

Warum Frauen kein Chef werden wollen: Keine Lust auf Strategien und Image  ■ Von Barbara Dribbusch

In einer Krankenhausstation wird die Stelle der Pflegedienstleitung frei. Keine Krankenschwester bewirbt sich, aber der einzige Krankenpfleger. Der Mann wird befördert.

Eine Personalleiterin bei einem Maschinenbauunternehmen bekommt ein Aufstiegsangebot. Sie entscheidet sich dagegen, weil der künftige Vorgesetzte unsympathisch wirkt.

Zwei typische Beispiele aus der Praxis von Personalberaterinnen: Wenn es um Chefposten geht, machen Frauen oft einen Rückzieher. „Aus Gründen, die einem Mann nicht einfallen würden“, sagt die Münchner Unternehmensberaterin Dorothee Echter.

Jeder sechste erwerbstätige Mann ist Führungskraft, bestimmt als Direktor, Amts- und Betriebsleiter oder Selbständiger, was seine Untergebenen zu tun haben. Unter den erwerbstätigen Frauen haben es nur sieben Prozent bis hinauf zur Führungsebene gebracht, zeigen Daten des Statistischen Bundesamtes. In mittleren Unternehmen stellen Frauen nur 1,6 Prozent der Vorstandsmitglieder oder Geschäftsführer. Das entspricht bezeichnenderweise dem Anteil der Väter an den ErziehungsurlauberInnen!

Die äußeren Gründe für die geringe Zahl von Managerinnen sind bekannt: Frauen erhalten weniger Aufstiegschancen und wagen sich nicht an Topjobs heran, weil sie Kinder haben und die vielen Überstunden fürchten. Die inneren Gründe sind jedoch ebenso gravierend. Es gebe für Frauen ein „gesellschaftliches Verbot“, eine Führungsposition anzustreben, glaubt die Horneburger Betriebsberaterin Birgitt Torbrügge.

Eine Karriere hänge nur zu zehn Prozent von der Qualität der Arbeit ab, jedoch zu dreißig Prozent vom Image und zu sechzig Prozent von der Bekanntheit bei den Chefs, erklärt die Münchner Journalistin Sabine Asgodom mit Verweis auf eine Untersuchung beim Computerkonzern IBM. Frauen werden befördert, weil sie die von Männern gemachten Spielregeln des Managements beherrschen, nicht jedoch wegen ihrer fachlichen Leistung. „Führungspositionen sind strategische, politische Positionen“, betont Echter. Ilse Martin vom Kölner Managerinnen-Kolleg stellte fest, nur ein kleiner Teil der Frauen habe überhaupt Interesse, „diese Spielchen zu lernen“.

Wer nach oben will, muß am Image feilen und das Unternehmensnetzwerk im Blick haben. Die Führungskraft in spe analysiert die dringendsten Probleme der Firma und profiliert sich dann als genau die Mitarbeiterin, die Abhilfe schaffen kann. Chancen hat, wer Problemlösungen vorschlägt, die eben nicht nur vom unmittelbaren Chef, sondern auch von der Unternehmensleitung begrüßt werden, betont Echter.

Zur Strategie der Macht gehöre, potentielle Bündnispartner „gut zu bedienen“, „mit wichtigen Personen“ regelmäßig Kontakt zu halten, so Echter. Wer nach oben wolle, müsse sich selbst „größer“ machen.

Das riecht für manche nach eiskaltem Opportunismus. Frauen, die mit Idealen von Ehrlichkeit, Hilfsbereitschaft und Bescheidenheit erzogen wurden, ist das fremd. „Die Frauen sagen: Das sind nicht meine Strukturen. Ich will vor allem in meinem Job Spaß haben“, schildert Martin.

Die Verweigerung des Aufstiegs ist für die Personalberaterinnen jedoch kein subversiver Akt. „Im Neinsagen liegt nicht soviel Kraft“, meint Torbrügge. „Viele Frauen sehen nicht, daß Macht auch die Kompetenz ist, Potentiale nach den eigenen Vorstellungen umzusetzen“, betont die Fuldaer Fachhochschulprofessorin Muthgard Hinkelmann-Toewe. Sie warnt jedoch davor, sich nur den Männern anzupassen. „Frauen sollten neben der äußeren auch ,innere Macht‘ gewinnen: Das bedeutet, sich als Frau nicht mehr minderwertig zu fühlen.“

Dorothee Echter schlägt vor, weibliches Denken als eigene „Machtstrategie“ einzusetzen. Frauen akzeptierten eher subjektive Sichtweisen, hätten eine höhere Toleranz für Ambiguitäten, verstünden auch die Langsamkeit von Wachstumsprozessen und beteiligten gern andere Menschen an Entscheidungen und Planungen: Alles Vorteile eines „weiblichen Managements“. „Macht zu haben, Macht in Organisationen auszuüben soll Spaß machen“, meint Dorothee Echter. „Wenn das nicht (mehr) der Fall ist, hören Sie auf!“