Frauen haben gleich zu sein

■ Psychologin Sylvia Schulz-Gierlings zur Frage, warum manche Frauen keine Chefin über sich ertragen

Von wegen Frauensolidarität! Jede dritte Frau bevorzugt einen Mann als Chef, aber nur jeder sechste Mann legt Wert darauf, daß sein Chef männlich ist. Das ergab eine Umfrage des forsa-Instituts.

taz: Warum tun sich Frauen schwer mit weiblichen Vorgesetzten?

Sylvia Schulz-Gierlings: Es gibt zuwenig Rollenvorbilder für diese Situation. Frauen in Führungspositionen gibt es noch nicht so lange. In den 50er Jahren war das gültige Frauenideal das der liebenden Hausfrau und Mutter. Das ist ein Muster, mit dem heute berufstätige Frauen aufwuchsen.

Offenbar aber tun sich gerade Frauen schwer mit Chefinnen?

Frauen sind eben eher daran gewöhnt, Männer zu haben, zu denen sie aufblicken können, sei es der Vater, für manche auch der Ehemann. Aber eine Frau als Vorgesetzte ist vergleichbar mit ihr, vom Geschlecht her. Gleichzeitig jedoch ist sie in einer anderen Rolle. Das führt zu einem Unbehagen, weil es keine Muster gibt, wie man damit umgehen soll.

Spielt Neid da mit herein?

Es ist sicherlich schwierig anzuerkennen, daß jemand, mit dem ich mich doch unbewußt vergleiche, es weiter gebracht hat als ich selber. Eine Frau als Vorgesetzte, da muß ich mir doch die Frage stellen, warum habe ich es als Frau nicht soweit gebracht? Den Erfolg eines Mannes anzuerkennen ist leichter, weil ein Mann anders ist.

Frauen sehen in Chefs öfter eine Vaterfigur. Spielen die Mutter- Übertragungen bei weiblichen Vorgesetzten eine Rolle?

Das kann passieren. Daß Schwierigkeiten, die eine Frau mit ihrer Mutter gehabt hat, neu erlebt werden in der Beziehung zur weiblichen Vorgesetzten. Gerade die Mutter-Tochter-Beziehung ist problematisch, weil von klein auf diese massive Ähnlichkeit erlebt wird, die Frauen abstreifen möchten. Es liegt nahe, daß solche Probleme in einer autoritären Beziehung neu aufleben.

Können Frauen autoritäres Verhalten einer Geschlechtsgenossin überhaupt vertragen?

Gerade unter Frauen ist es nicht üblich, sich autoritär zu verhalten, Befehle zu geben und entgegenzunehmen. Das entwickelt sich schon in der Kindheit in Mädchen- und Jungengruppen sehr unterschiedlich, wie Untersuchungen belegen. Unter Jungen ist es sehr wichtig, hierarchische Beziehungen aufzubauen, einen Status zu erringen. Darauf wird sehr viel Energie verwendet. Mädchen wachsen mit dem Bedürfnis auf, Gleichheit herzustellen. In Mädchengruppen geht es darum, Nähe zu entwickeln, zu verhandeln. Keine soll sich herausstellen. Bei einer weiblichen Vorgesetzten wird mit diesem Muster gebrochen.

Dann müßten Kolleginnen sauer sein, wenn eine von ihnen aufsteigt.

Wenn man vorher in einer Gruppe war, in der es wichtig war, gut miteinander auszukommen, und wenn nun eine in eine höhere Position wechselt, dann hat sie es möglicherweise schwer, sich gegenüber den alten Kolleginnen abzugrenzen.

Machen weibliche Vorgesetzte hierin selbst Fehler?

Chefinnen sind auch in einer problematischen Situation. Die Vorgesetzte sieht sich möglicherweise unter sehr großem Druck. Sie will ihre Sache doppelt so gut machen wie ein Mann in ihrer Position und will sich gegen alle potentiellen Angriffe verteidigen. Auch gegen den so gerne erhobenen Vorwurf, Frauen seien im Beruf viel zu emotional und zuwenig sachlich.

Der solidarische Anspruch aus der Frauenbewegung hilft bei diesem Konflikt zwischen Chefinnen und Untergebenen offenbar nicht viel.

Leider nicht, es macht sich sogar unter weiblichen Vorgesetzten manchmal die Einstellung breit: Ich hab's nicht leicht gehabt, deshalb sollt ihr es auch nicht leicht haben. Das kann massiv behindern, leider. Es hilft nur, wenn die Beteiligten auch mal über ihre Schwierigkeiten reden können und jede selbst ihr Verhalten überprüft. Interview: Barbara Dribbusch