Idiot von Anfang an Von Thomas Gsella

Zum Aperitif ein Hallo: Hallo, Barbara! Nicht schön sei, schreibt sinngemäß der nach wie vor mit Abstand klügste Mensch des Firmaments, Theodor W. Adorno, und der Abstand wird statt kleiner größer – nicht schön sei, daß auch die widerständigsten Individuen eines Morgens aufwachten und sich eingestehen müßten, daß sie im Zuge der Zeit und Jahrzehnte zu Kretins geworden sind; zu, nach Maßgabe ihres sogenannten Potentials, objektiv inferioren Deppen und eben kretinösen Opfern einer immergleich erdrückend falschen Weltverfassung. Aber das stimmt nicht, denn es geschieht beileibe nicht spät, sondern früh. Beweis: der Kolumnist, ich.

Essen-Steele, ein kalter und vernieselt grauer Hundstag im verdammt noch mal lausdreckigen September '72. Abends gegen 19 Uhr, die Sonne scheint aus einem herrlich klaren Himmel, stiehlt sich ein kleiner Jugendlicher aus dem Elternhaus, gibt acht, daß keiner ihn beobachtet, und zwischen Zeh und Fontanelle brüllen zwei Impulse, wobei der zweite komplizierter ist. Darum zunächst der erste: „Wenn ich diese Straße hinter mir habe, kommt der Park, dann links die Ladenstraße, und dort steht in einem neu eröffneten Motorradgeschäft und neben allerlei blöden Kisten die zauberhaft froschgrüne Crossmöhre für 3.000 Mark! Hurra, gleich bin ich da.“ Gedanke Nummer 2: „Nun ist es wohl das 84ste, mindestens aber 70ste Mal, daß ich mir dieses Scheißgerippe anguck'. Als Gymanasiast find' ich ja Cross nicht gut, grün hab' ich mir nicht ausgesucht, und vor allem bin ich 14, hab' 30 Oschen Taschengeld, und der Laden macht um sechs zu. Wie jeden Abend werd' ich also zehn bis zwölf Minuten wie ein Ochse durch die Scheibe auf die Möhre linsen und dann wieder umdrehen. Erst die Ladenstraße, dann der Park, dann unser Haus mit Papa Mama. Ob ich mitten in der Pubertät bin?“

Heute weiß ich: kann sein. Früher linste ich da durch die Scheibe, guckte das Motorrad an und ging wieder nach Hause – Abend für Abend, wohl in der Tat ein Vierteljahr lang, bis ich eines Tages das Motorrad nicht mehr gut fand und ihm sagte: tschüß. Mittlerweile bin ich älter und vor solchem Quatsch gefeit. Karren guck' ich mit dem Hintern nicht mehr an beziehungsweise nur ein bißchen. Das Fanstadium ist passé! Opel Corsas gefallen mir bedeutend besser. Natürlich nur die neuen 97er, und da speziell die blauen. Im Kleinhirnlappen stecken die Instinkte. Wenn in meinem Gesichtskreis, und sei es ganz links außen, unbewußt rostrote Frauenhaare wehen, muß ich automatisch und wie ferngesteuert gucken, ob das stimmt. Und nun sind blaue 97er Corsas in den Instinktelappen mit hineingekommen. Warum, weiß keine Sau.

Nun gut. Sooo blöd bin ich ja auch nicht. Nach Freud ist Autosammeln Ausdruck eines handfest spätoralen Schadens: Der zu früh abgestillte Junge kauft sich anstatt Muttermilch ein joghurtweißes Cabrio zum Beispiel. Aber erstens bin ich kein Junge (aber auch kein Mädchen!), und zweitens „gehe ich auf“ neue, blaue Corsas „kaputt“, wie ein Bekannter immer sagt. Why? Weil mein altes Auto (Opel Kadett tiefergelegt) in einem Jahr kaputtgeht (TÜV)? Na und? Da könnt' ich doch noch ein Jahr ruhig sein! Und mir dann wieder eine alte Schlabbergurke kaufen! Die surren doch genauso geil!

Mensch, Mensch, Mensch...