Die „Calypso“ hat den Kapitän verloren

■ Der berühmte Meeresbiologe, Filmemacher und Selbstdarsteller Jacques Yves Cousteau ist gestorben

Paris (taz) – Abgetaucht. Für immer in der „Welt des Schweigens“ – so der Titel seines ersten Filmerfolgs. Der beliebteste Franzose, der Tiefseeforscher, Filmemacher und geniale Selbstdarsteller Jacques Yves Cousteau ist in der Nacht zum Mittwoch im Alter von 87 Jahren in Paris gestorben. Er hinterläßt 110 Filme, ein knappes Dutzend Bücher, das halbfertige High-Tech-Boot „Calypso II“, eine Stifitung mit 200.000 Mitgliedern und einen leeren Sessel in der „Académie Française“, die ihn bereits 1989 per Aufnahme in ihre Reihen zum „Unsterblichen“ gemacht hatte.

Einen Ruhestand hat der „Kommandant“, wie Cousteau seit seiner ersten Karriere in der französischen Kriegsmarine genannt wurde, nicht gehabt. Aus Überzeugung. „Die Rente, das ist der Tod“, sagte er der Reporterin Ende letzten Jahres. Wenig später startete er zu einer Reise an den Baikalsee, wo er einen Film vorbereitete.

Cousteau war unermüdlich. Seit er 1957 in Cannes die Palme für den Tiefseestreifen „Die Welt des Schweigens“ erhielt, bereiste, betauchte und filmte er alle Weltmeere und zahlreiche große Seen und Flüsse. Er ließ unterseeische Labors bauen, und sein Name steht für technologische Neuerungen in der Taucherei, die er bis zum Schluß praktizierte. Millionen Fernsehzuschauer in aller Welt kennen den hageren, stets mit einer roten Mütze angetanen Mann, der breitbeinig auf irgendwelchen Schiffsplanken steht und die Natur erklärt. Bis zuletzt leitete Cousteau die Geschäfte seiner Stiftung mit Sitz in Paris und New York. Bis zuletzt blieb er auch aktives Mitglied des „Canberra Committee“ für die Abschaffung der Atomwaffen, beriet Weltbank, UNO und Unesco und bereitete ein Weltreferendum über Vernichtungswaffen vor.

Bloß in seinem Heimatland Frankreich hatte Cousteau sich in den letzten Monaten ein wenig aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Nachdem er 1995 aus Protest gegen die Atomtests im Pazifik vom Vorsitz des „Rates für die künftigen Generationen“ zurückgetreten war, wartete er vergeblich auf eine Antwort von Jacques Chirac. „Persönlich mag ich ihn sehr“, sagte er über den Staatspräsidenten, „aber er ist halt ein Politiker.“

Das hätte Cousteau selbst auch werden können. Viele haben versucht, ihn dahin zu bringen. Unter anderem erhielt er 1981 rund 80.000 Briefe, die ihn zu einer Kandidatur für das Amt des Staatspräsidenten aufforderten. Cousteau sagte „non“ und begründete: „Ich bin Weltbürger.“ In den Jahren darauf sammelte er, der kein Politiker sein wollte, 2,5 Millionen Unterschriften zur Rettung der Antarktis und neun Millionen Unterschriften für seine „Charta für die Rechte der künftigen Generationen“, die er in die UN- Charta integrieren wollte.

Die in den letzten Jahren erschienenen kritischen Biographien, die sein Engagement als geschicktes Marketing und Geschäftemacherei bezeichneten, kanzelte Cousteau stets als Produkt des Neides ab. Seinen ältesten Sohn, der den Familennamen als Werbung für ein Holiday-Resort auf den Fidschis benutzt hatte, verklagte der Kommandant vor Gericht. Als Wunschnachfolgerin für seine Stiftung nannte er vor wenigen Monaten seine 36 Jahre jüngere Gattin Françine. Die wies das Ansinnen weit von sich. Dorothea Hahn