Die Revolution frißt ihre Kinder

■ Rund um den Kollwitzplatz ist für Alternativkneipen kein Platz mehr. Nachdem „Netzwerk Spielkultur“ bereits weichen mußte, droht die Schließung des Café Westphal. Der Franz-Club macht am 16. Juli dicht

Lange Zeit war das Café Westphal die erste Kneipe am Kollwitzplatz. Nun, nachdem der Platz zum Synonym für den Szenetanzplatz „Prenzelberg“ wurde, ist nur noch für Restaurants, nicht aber mehr für eine Alternativkneipe Platz. Wenn zum September der Mietvertrag des Westphal ausläuft, droht der Kneipe in der Kollwitzstraße 64 jedenfalls das Aus. Der Eigentümer Friedhart Steinich will das ganze Haus umbauen. „Der hat beim Bauamt eine Pension beantragt“, weiß Anna Vandenherz von der Betroffenenvertretung Kollwitzplatz. Die Revolution vom Kollwitzplatz frißt ihre Kinder.

Steinich ist in Prenzlauer Berg kein Unbekannter. Bereits im vergangenen Herbst ließ der ehemalige DDR-Bürger, der kurz nach dem Mauerfall wieder in den Ostteil der Stadt zurückkehrte, die Off-Galerie „front:art“ durch einen Bauarbeitertrupp aus dem Seitenflügel der Kollwitzstraße 64 räumen. Illegal, wie ein Gericht kurz darauf feststellte. Steinich, der anstelle der Galerie ein Fitneßstudio haben wollte, mußte die Schlüssel an die Galeristen zurückgeben. Erfahrungen mit den Gebärden des Eigentümers, dessen Jaguar im vergangenen Dezember unmittelbar am Kollwitzplatz abgefackelt wurde, haben auch die Mieter der Sredzkistraße 20/ Knaackstraße 70 gemacht. Sie bekamen im April letzten Jahres Post im Namen ihres Eigentümers. Angeboten wurden Umsetzwohnungen, obwohl die Mieter gar nicht daran dachten auszuziehen.

Während die Betreiber des Café Westphal noch auf weitere Verhandlungen mit Eigentümer Steinich hoffen, ist der kulturelle Kahlschlag im Namen des „Mythos Kollwitzplatz“ bereits deutlich sichtbar. Wo noch bis zum Dezember vergangenen Jahres die „Projekte am Kollwitzplatz“ und „Netzwerk Spielkultur“ ihren Sitz hatten, prangt heute das Schild „Zu vermieten“. „Offenbar bekommt der Eigentümer die Räume aber nicht zum anvisierten Mietpreis von 35 Mark pro Quadratmeter los“, freut sich Betroffenenvertreter Nilson Kirchner. Möglicher Grund: Nach monatelangem Drängen der Vertretung will die Sanierungsverwaltungsstelle nun kein Restaurant in der Kollwitzstraße 66 genehmigen.

Ein neues Restaurant ist freilich an der Ecke Sredzkistraße/Schönhauser Allee denkbar. An jener Ecke, deren Turm weithin sichtbar ist, wird am 16. Juli das letzte Konzert im Franz-Club stattfinden. Der Grund für die Schließung des Clubs ist die Forderung des Eigentümers, der Treuhand Liegenschafts-Gesellschaft (TLG), die Miete von derzeit 15 auf 35 Mark pro Quadratmeter zu erhöhen. Zwar war bereits seit längerem bekannt, daß sich der Franz-Club innerhalb des Geländes der Kulturbrauerei einen neuen Standort suchen sollte. Während der Betreiber des Clubs freilich davon ausging, zu den bisherigen Konditionen weiterzumachen, war die TLG der Auffassung, daß es sich beim Franz-Club um einen kommerziellen Veranstaltungsort handle, der die geforderte Miethöhe rechtfertige. Uwe Rada