Zwischen den Rillen: Spiel mir das Lied vom Sumpf
■ Klischeekoeffizient beträchtlich: John Fogerty rockt die Everglades
Gut möglich, daß man John Fogerty im richtigen Leben nicht mögen würde. Zu sehr gibt er den klassischen Bluejeans- Typen mit Nackenspoiler, der, solide aufgebockt auf den eigenen Eiern, die Sache mit sich und seiner Fender Stratocaster ausmacht. Doch was heißt hier „richtiges Leben“? Fogerty ist schließlich Kalifornier.
Als solcher war er schon immer mehr Mythenmaschine als Mann der originären Empfindung. Mit CCR, für die er die Songs schrieb und sang, übersetzte er an der Schwelle zu den Siebzigern die verlorenen Traditionen des ländlichen Südens, durchaus unberufen und staatenweit vom Original entfernt, ins 2-Minuten-30-Pop-Format: „Hey Tonight“, „Willy And The Poorboys“, „Looking Out My Back Door“, „Have You Ever Seen The Rain?“ – die ganzen Schoten. Musik für den amerikanischen Jedermann, kaum gegenkulturell infiziert, aber kalifornisch romantisch mit Sehnsucht und Kehle ins Internationale getrieben. „Man konnte darauf zählen“, schrieb der seelenverwandte Countrysänger Peter Handke in seinem „Versuch über die Jukebox“, in jeder Kneipe mit Wurlitzer in der Ecke „sämtliche Singles der Creedence Clearwater Revival vorzufinden und sogleich durch die Schwaden John Fogertys inständiges Klagen zu hören, darüber, daß er auf seiner Sängerirrfahrt irgendwo den Zusammenhang verlor, und „Hätte ich wenigstens einen Dollar, für jedes Lied, das ich sang!, während unten vom Bahnhof, im Winter nur für Güter offen, das Signal einer Lok mit der für den hohen Norden sonderbaren Aufschrift ,Southern Pacific Railway‘ seinen die Stadt durchtönenden langgezogenen einzigen Orgelton hören läßt und an einem Draht von der Brücke zu dem nur Sommers offenen Bootshafen ein erdrosselter Rabe baumelt“ (uff).
Seither hat Fogerty tatsächlich viel Regen gesehen: Ärger mit halsabschneiderischen Managern, die ihn um seine Tantiemen brachten, Streß mit Plattenfirmen, Prozesse, 1990 der Tod des Bruders und Rhythmusgitarristen Tom. Er hat andere (Knopfler, J.J. Cale, Springsteen) mit Traditionsrock Millionen scheffeln sehen und zuletzt sogar zuschauen müssen, wie die Restkumpels von CCR sich ohne ihn unter falscher Flagge auf Abstaubertournee machten – eine Gemengelage, auf die er, Vater der Hits, mit Selbststilisierung, Rückzug aufs Land und zwei, drei LPs unterschiedlicher Qualität antwortete. „Centerfield“ hieß der erste Comeback-Versuch, „Eye Of The Zombie“ verlor sich in Mainstream-Bitterkeit und Haßtiraden auf Exproduzent Saul Zaentz.
Doch davon allein brennt auf Dauer kein Kamin, und nach einem Vierteljahrhundert rücken die Ursprünge vielleicht automatisch wieder näher. Auf „Blue Moon Swamp“ macht Fogerty uns, ganz wie zu CCR-Zeiten, den sehnsüchtigen, intellektuell unangekränkelten Sumpf- Jungen, der sich an seinen selbstgezüchteten Wurzeln festhält. Nostalgie ist gar kein Ausdruck: Das gesamte perfekt geklaute Material wird einer perfekt arrangierten, sekundären
Mississippi ist eine Seelenlandschaft: John Fogerty Foto: WEA
bis tertiären Bearbeitung unterzogen – mit schlängelnden „Suzie Q“-Gitarren, Blues-Auszügen, schnarrender CountryStimme und eingebauter Gospeltiefe. Es geht um „Cotton“, „Jelly Rolls“, „Hot Rod Hearts“ und „One-Way Tickets To The Open Road“. Das gesamte Zeicheninventar des Down-Home- Südens, wie die Popkultur ihn übermittelt und auf ewig konserviert hat, wird noch einmal aus der Kiste gezerrt. Blau scheint der Mond über dem Bayou, in dem der Katzenfisch im Schlamm liegt und ein poor boy den Zügen hinterherschaut, „Sweet Desire“ in den Augen, „Big Wheels“ rollen „Right On Time“, usw. usf.
Man ahnt, was hier das Problem ist, und warum es zur Legende à la Dylan oder Townes van Zandt nie gereicht hat: JF hat „irgendwo den Zusammenhang“ verloren. „Echter“ Country kommt sparsamer, karger und bettelgewandiger daher, Mainstream-Country hat seine ganz eigenen Helden; Pop neueren Datums wiederum erfordert eine gewisse Bereitschaft zu geistiger Mobilität und Zickzackkursen, wie sie im Modell Fogerty irgendwie nicht vorgesehen ist. „Blue Moon Swamp“ ist eine Klage: das verspätet angemeldete Copyright auf einen Film, den John Fogerty zwar nicht gedreht, aber immerhin kunstfertig geschnitten hat. Die Anzahl der Bilder pro Minute ist beträchtlich, der Klischeekoeffizient weit über dem Durchschnitt, der Stoff alles andere als neu.
Das ganz große Geld wird damit nicht zu machen sein, und, wie gesagt: eigentlich kann man sie nicht mehr hören, diese Geschichten von Streamlinern und Steamrollern und Männern mit spitzen Stiefeln. Doch für John, Peter und die alten Singles setzt man sich nochmal rein ins Programmkino. Doch, Mississippi ist eine Seelenlandschaft. Amerika ist groß, weit und voller Geheimnisse. „Old memories out in the crick/Playin' hooky with a hobo stick“ („Swamp River Days“). Der letzte macht das Licht aus. Thomas Groß
John Fogerty: „Blue Moon Swamp“ (WEA)
Einziges Deutschlandkonzert: Heute in Hamburg im „Grünspan“. Nach Auskunft der Veranstalter ausverkauft.
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